Königreich der süßen Versuchung
gebracht hatte, einfach nicht einfallen. Was war nur los mit ihr? Es konnte doch nicht sein, dass ihr die Erinnerung an ihr eigenes Leben vollkommen entglitten war.
Entsetzt sprang sie aus dem Bett, ging zum Fenster und schob die schweren Vorhänge auseinander. Was sie sah, kam ihr vertraut vor. Grüne Hügel erstreckten sich fast bis zum Horizont, Schafe waren als weiße Punkte erkennbar, und in der Ferne erhoben sich mit dunklen Tannen bewaldete Berge. Da unten lag eine kleine Stadt mit roten Häuserdächern und einem spitzen Kirchturm in der Mitte.
Doch der große Fischteich, der in dem weiten Schlosshof lag, kam ihr fremd vor, zumindest von diesem Blickwinkel aus. Aber leider war das nicht das Einzige. Auch an ihren Nachnamen konnte sie sich nicht erinnern. Andi … und weiter? Verzweifelt schlug sie sich an die Stirn. Richtig, Blake. Hatte er nicht tags zuvor gesagt, sie heiße Andi Blake? Warum kam es ihr nur so vor, als habe sie auch diesen Namen noch nie gehört?
Langsam drehte sie sich um und ging zu der Tür, hinter der sie das Badezimmer vermutete. Vorsichtig drückte sie die Klinke hinunter … und sah direkt in das Gesicht eines Mannes, der vor dem Spiegel stand und sich das Hemd zuknöpfte. Er hatte kräftiges schwarzes Haar, dunkle Augen, die ihr aus dem Spiegel freundlich entgegenblickten, und volle Lippen. Bei seinem Anblick wurde Andi knallrot. Was für ein markantes Gesicht er hatte.
„Jetzt drehte er sich zu ihr um. „Guten Morgen, Andi. Wie fühlst du dich?“
Was meinte er damit? Misstrauisch sah sie ihn an. „Gut … glaube ich wenigstens. Ich kann mich kaum erinnern.“ Hatte sie in der vergangenen Nacht mit ihm geschlafen? Aber dann wäre sie doch nicht vollständig angezogen. Allerdings verspürte sie überall im Körper ein verräterisches Kribbeln. War doch etwas zwischen ihnen passiert?
Erstaunlicherweise schien ihn ihre Bemerkung nicht zu verblüffen. Wusste er mehr als sie? „An was kannst du dich denn erinnern?“
Doch sie schüttelte nur verzweifelt den Kopf. „Warum lässt mich mein Gedächtnis im Stich?“
Er drehte sich zu ihr um, trat auf sie zu und legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. Leider hatte die Geste die genau entgegengesetzte Wirkung. „Du bist irgendwo mit dem Kopf aufgeschlagen, hast aber keine Gehirnerschütterung, meint der Arzt.“
„Wie lange geht das schon so?“
„Seit gestern Abend. Dein Gedächtnis wird bald zurückkommen, spätestens in ein paar Wochen, sagt der Arzt.“
„Ach so …“ Bedrückt sah Andi zu Boden. Noch nie hatte sie sich als so hilflos, ja geradezu lächerlich empfunden. Da stand sie nun in ihrem zerknitterten Abendkleid und hatte keine Ahnung, wer sie war und wo sie war. Sie wusste nur, dass sie sich zu diesem Mann geradezu magisch hingezogen fühlte. „Und was soll ich nun tun?“
„Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um dich.“ Sanft streichelte er ihr die Wange, und ihr stockte der Atem, so plötzlich überfiel sie heißes Verlangen. Sie musste unbedingt wissen, ob … Aber wie formulierte man eine solche Frage?
„Sind wir … eng … befreundet?“
Natürlich wusste er, worauf sie anspielte. Vielleicht hätte sie diese Frage besser nicht stellen sollen. Aber sie war ziemlich sicher, dass irgendetwas zwischen ihnen lief. Hatten sie sich am Vorabend nicht sogar geküsst?
„Ja, Andi. Und wir werden heiraten.“ Lächelnd nahm er ihre beiden Hände in seine.
„Oh …“ Ihr Lächeln wirkte etwas gezwungen. „Wie gut, dass du da bist und dich um mich kümmern kannst, bis mein Gedächtnis zurückkehrt.“ Falls es überhaupt … „Es ist mir peinlich, aber wie lange sind wir schon zusammen?“
„Viele Jahre.“ Er war ernst geworden.
„Auch wenn es sich unmöglich anhört, ich kann mich nicht an deinen Namen erinnern.“
Das schien ihn nun doch zu verblüffen. „Jake“, sagte er deutlich. „Jake Mondragon.“
„Jake Mondragon“, wiederholte sie leise und lächelte. „Was für ein schöner Name. Dann werde ich also Andi Mondragon heißen.“
„Was? Ach so, ja. Andi Mondragon.“
Überraschte ihn das? Darüber hatte er doch sicher schon mal nachgedacht, wenn sie seit Jahren zusammen waren. „Oder behalte ich meinen Mädchennamen?“
„Ich glaube nicht, dass wir darüber schon nachgedacht haben.“
„Nein?“ Das war doch seltsam – schon wegen möglicher Kinder. „Wie lange sind wir denn schon verlobt?“
Kurz sah er zur Seite. „Erst seit gestern. Bisher haben wir es auch noch
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