Königreich der süßen Versuchung
davon ausgegangen. Deshalb hatte ihn ihre Kündigung auch total überrascht. Mehr noch, es hatte ihn hart getroffen, dass sie ihn und Ruthenia hatte verlassen wollen, vor allem seit ihm aufgegangen war, dass sie die ideale Frau für ihn war. Insofern konnte er nur dankbar sein, dass sie das Gedächtnis verloren hatte. Denn so hatte er die Gelegenheit, ihre Entscheidungen in seinem Sinn zu beeinflussen.
Erleichtert sah er, dass ihre Koffer noch da waren. Allerdings waren sie geschlossen und standen auf dem Boden neben dem Bett. Hastig machte er die Tür zu und fing an auszupacken. Kleider, Blusen und Röcke hängte er wieder in den Schrank, alles andere legte er in die Kommodenschubladen. Andi sollte den Eindruck haben, als habe sie nie die Absicht gehabt abzureisen.
Bei einigen Kleidungsstücken stutzte er. Ein fast durchsichtiges rosa Nachthemd aus Spitze, schwarze Nylons und Strapse … Wann hatte seine zuverlässige Assistentin Gelegenheit gehabt, so etwas anzuziehen? Seit sie nach Ruthenia gezogen war, hatte sie keine einzige Verabredung gehabt. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Beinahe hatte er ein schlechtes Gewissen. Offenbar hatte er sie so mit Arbeit überhäuft, dass ihr keine Zeit für ein Privatleben geblieben war.
Im Badezimmer packte er ihre Toilettensachen aus. Während er die verschiedenen Shampoos, Deos, Make-up-Fläschchen und Lippenstifte auf dem Glasbord aufreihte, kribbelte ihm die Haut. Irgendwie war das wie ein unerlaubter Blick in ihr Intimleben. Sollte er die Lippenstifte einfach wegwerfen? Ohne sah sie doch viel besser aus. Nein, das waren ihre Sachen. Dass sie eine Unmenge von Haarpflegeprodukten hatte, erstaunte ihn sehr, da sie ihr Haar doch immer nur zum Knoten hochgesteckt trug.
Nach zwanzig Minuten war alles geschafft, und Jake schob die Koffer unters Bett. Stirnrunzelnd sah er sich im Raum um. Irgendetwas war nicht richtig, es sah alles zu aufgeräumt aus. Er nahm eine Strumpfhose aus einer der Schubladen und legte sie aufs Bett. Besser. Erst als er schon beinahe wieder aus der Tür war, fiel ihm ein, weshalb er gekommen war. Er sollte Andi etwas zum Anziehen mitbringen. Aber was? Worin würde er sie gern sehen? Keinesfalls in einem dieser langweiligen Kostüme.
Er holte eine Jeans aus der Kommode und dazu ein langärmeliges blaues T-Shirt. Noch nie hatte er sie darin gesehen, aber beides stand ihr sicher sehr gut. Jetzt noch die Unterwäsche … Warum nicht den schwarzen kleinen Slip mit passendem BH aus schwarzer Spitze? An beiden hingen noch Preisschilder, die er schnell entfernte. Andi sollte ruhig den Eindruck gewinnen, dass sie so etwas täglich trug.
Sorgsam rollte er die Sachen in einen weichen blaugrauen Pullover, öffnete vorsichtig die Tür, sah nach rechts und nach links und kehrte in seine eigene Suite zurück.
Andi sah ihn verängstigt an, als er die Tür hinter sich zudrückte. Dass sie noch in der vergangenen Nacht strahlend im Zimmer umhergetanzt war und glücklich vor sich hin gesungen hatte, konnte er sich kaum mehr vorstellen. Jetzt kauerte sie in der Sofaecke und hielt die Knie umklammert.
„Wie fühlst du dich?“, fragte er leise.
„Nicht gut. Es ist seltsam, dass ich nichts von mir und meinem Leben weiß. Nein, es ist mehr als seltsam, es macht mir Angst.“
Trotz seines schlechten Gewissens hatte Jake beschlossen, ihr nichts von ihrem Plan zu erzählen, Ruthenia zu verlassen. Vielleicht ist es ihr damit sowieso nicht so ernst gewesen, versuchte er sich zu beschwichtigen. Schließlich hatte er keinerlei Tickets oder Flugdaten in ihrem Zimmer gefunden. „Keine Sorge, das kommt alles wieder. Wir machen einfach so weiter wie bisher. Einverstanden?“
Sie nickte.
„Ich habe dir was zum Anziehen mitgebracht.“ Er setzte sich neben sie auf das Sofa und legte das Kleiderbündel zwischen sie und sich.
Sie griff danach, und ihre Augen weiteten sich kurz, als sie den schwarzen Spitzen-BH und den winzigen Slip sah. „Danke“, stieß sie leise hervor und warf Jake einen fragenden Blick zu.
Er verstand, und obwohl er sie zu gern in der schwarzen Unterwäsche gesehen hätte, wies er auf die Schlafzimmertür. „Du kannst dich dort umziehen. Und falls du duschen möchtest, im Bad sind auch saubere Handtücher.“
Andi zog die Schlafzimmertür hinter sich zu. Schon der bloße Gedanke, sich vor Jake auszuziehen, ließ sie knallrot werden. Und das, obwohl sie doch mit ihm verlobt war und er sie sicher schon unzählige Male nackt gesehen hatte.
Weitere Kostenlose Bücher