Königreich der süßen Versuchung
diese Lippen.
Schnell steckte er die Akte wieder an ihren Platz. Vielleicht würde Andi sich nie mehr an die Vergangenheit erinnern, und sie könnten ihr gemeinsames Leben einfach genießen. Er war fest davon überzeugt, dass die Andi der vergangenen Nacht die richtige Andi war, die sich endlich aus ihrem einengenden Kokon befreit hatte.
Andi stieß einen Jubelschrei aus. Endlich hatte sie das Passwort gefunden! In einer der Schreibtischschubladen lag eine Liste von Wörtern, mit denen sie nichts anfangen konnte. Dann aber hatte sie jedes Wort eingegeben. Und bei „Königin“ hatte es geklappt.
Das Wort „Königin“ hatte ihr Zugang zu ihrer Festplatte verschafft – und damit vielleicht zu ihrem Leben! Witzig, dass sie sich gerade dieses Wort ausgesucht hatte, wahrscheinlich, weil sie wusste, dass sie bald die Königin dieses Landes sein würde.
Königin Andi … Das hörte sich irgendwie schrecklich an. Aber sie würde sich schon noch daran gewöhnen. Vielleicht war Andi auch nur die Kurzform von irgendeinem bedeutenderen Namen. Wie Andromeda oder zumindest Andrea. Zitternd vor Aufregung fing sie an, die einzelnen Symbole anzuklicken. Himmel, warum gab es nur so viele Ordner. Sie wusste gar nicht, was sie zuerst aufmachen sollte. Auch ihr E-Mail-Postfach quoll über – dreiundfünfzig ungelesene Nachrichten. Schnell klickte sie die letzte und somit neueste an.
Es handelte sich um die Flugbestätigung für Andi Louise Blake – also nicht Andromeda –, die am Vortag von München nach New York hätte fliegen sollen. Ob es sich um eine Geschäftsreise gehandelt hatte? Sicher nicht, sonst hätte Jake doch etwas erwähnt. München, war das der nächste internationale Flughafen für die Einwohner Ruthenias? Und was hatte sie in New York gewollt? Sicher, sie hatte dort früher einmal gelebt, aber …
Es gab nur eine Erklärung: Sie hatte Ruthenia verlassen wollen. Ihr dröhnte der Kopf, und sie lehnte sich verwirrt zurück. Warum hatte sie das Land verlassen wollen, obwohl sie sich gerade verlobt hatte? Sie musste Jake danach fragen. Vielleicht hatte es sich doch um eine Geschäftsreise gehandelt, die im letzten Moment storniert worden war. Vielleicht wegen der Verlobung, vielleicht auch wegen ihres Gedächtnisverlustes? Nachdenklich starrte sie den Verlobungsring an. So viele Fragen waren noch ungeklärt. Noch immer hatte sie nicht herausgefunden, warum ihre Kleidung zerknittert war, so als ob sie in einem Koffer gelegen hätte. Hatte sie im letzten Moment ihre Meinung geändert und alles wieder ausgepackt? Aber warum?
Hatte sie Jake etwa ein Ultimatum gestellt und ihn gezwungen, sich mit ihr zu verloben? Alles wurde immer verworrener. Vielleicht sollte sie sich die anderen E-Mails ansehen, bevor sie mit Jake sprach.
Die meisten Nachrichten waren geschäftlicher Art, Reaktionen auf Einladungen, Terminanfragen, Nachbestellungen und Ähnliches. Doch dann fiel ihr eine Mail von einer Lizzie Blake auf. „Was ist los?“, stand im Betreff. Blake, das war doch auch ihr Nachname. Schnell öffnete sie die Mail.
Andi, ich weiß, Du willst nicht, dass man diese Adresse für Privatkorrespondenz nutzt, aber ich habe versucht, Dich anzurufen. Ohne Erfolg. Gestern haben wir in den TV-Nachrichten gesehen, dass Du Deinen Chef Jake Mondragon heiraten wirst. Stimmt das? Warum hast Du uns nichts erzählt? Ich dachte, Du wolltest kündigen, zumindest hast Du so etwas angedeutet. Zwar hast Du schon vor Jahren gesagt, dass Dein Chef sehr sexy sei, aber Du hast nie erwähnt, dass Du mit ihm befreundet bist, geschweige denn verlobt! Mom ist wegen der ganzen Geheimnistuerei ziemlich unglücklich. Also melde Dich so schnell es geht. Ich muss doch wissen, ob ich mir ein Kleid für die königliche Hochzeit kaufen muss.
In Liebe.
Dein Schwesterherz
Andi war fassungslos. Lizzie, das war ihre Schwester! Und Lizzie wusste überhaupt nichts von ihrer Beziehung zu Jake. Außerdem hatte sie erfolglos versucht, sie telefonisch zu erreichen. Also musste es doch noch irgendwo ein anderes Telefon geben, das sie für Privatgespräche benutzte. Aber wo würde sie ein solches Telefon aufbewahren? Schnell lief sie in ihre Suite. Glücklicherweise begegnete sie niemandem, auch nicht Jake. Bei dem Gedanken an ihn meldete sich sofort ihr schlechtes Gewissen. Sie ging ihm aus dem Weg, und dabei hatte sie noch am Morgen nach einer wunderbaren gemeinsamen Nacht in seinen Armen gelegen.
Und jetzt war sie von Zweifeln und Misstrauen beherrscht,
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