Königreich der süßen Versuchung
Friseurin, und innerhalb einer halben Stunde zauberte sie aus Andis leicht gewelltem Haar eine wahre Lockenpracht. Als Andi in den Spiegel sah, hätte sie sich fast nicht wiedererkannt. War sie das wirklich, diese junge Frau mit dem porzellanblassen, sorgfältig geschminkten Gesicht, den großen blauen Augen und den üppigen Locken, unter denen die kostbaren Ohrringe hervorfunkelten?
„Andi, kannst du kommen? Die sind so weit.“
Das war Jakes Stimme, aber als Andi in die Bibliothek trat, war er nirgends zu sehen. Keine Panik, sagte sie sich. Es ist nur ein Job. Die Verlobte des Königs zu sein war harte Arbeit. Für Romantik blieb da kein Platz. Man schob sie unter die grellen Scheinwerfer, puderte ihr Nase und Wangen ab und zupfte an ihren Locken herum. Aus dem Augenwinkel erkannte sie die Frau, die sie interviewen würde. Was für Fragen sie sich wohl zusammengestellt hatte?
Auf keinen Fall würde sie lügen, das hatte Andi sich fest vorgenommen. Die ganze Situation war bereits so verworren, dass sie es sich nicht noch schwerer machen wollte. Sie würde zurückhaltend und diplomatisch sein. Das verlangte der Job.
Plötzlich verstummten alle und wandten sich zur Tür. Der König erschien. Jake kam lächelnd auf sie zu, und Andis Puls beschleunigte sich. Hoffentlich konnte sie ihre Rolle als königliche Verlobte zu seiner Zufriedenheit spielen. Ihre Blicke begegneten sich, und ihr Herz tat einen Sprung. Ich will dich wirklich heiraten. Immer wieder gingen ihr diese Worte im Kopf herum.
Jetzt kam der Produzent auf sie zu und bedeutete ihnen, sich auf ein prächtiges Sofa zu setzen. Alle Scheinwerfer und Kameras waren auf sie gerichtet. Jake griff nach Andis Hand, und obwohl sie seine Berührung genoss, hätte sie ihm die Hand am liebsten wieder entzogen. Schließlich brauchte er nicht zu wissen, wie aufgeregt sie war. Noch nie in ihrem ganzen Berufsleben war sie so unsicher, ja, geradezu starr vor Entsetzen gewesen. Dabei hatte sie viel mit ausländischen Würdenträgern zu tun gehabt und an internationalen Verhandlungen teilgenommen. Warum hatte sie dann jetzt den Eindruck, es ginge um Leben und Tod?
Es herrschte erwartungsvolle Stille. Die Fernsehreporterin kam auf sie zu, ein kleines Mikro klemmte an dem Revers ihres Jacketts. Es wird ernst, erkannte Andi und hatte Mühe, ihre Furcht zu verbergen. Ich werde nicht lügen, ich werde nicht lügen …
„Eure Majestät, ich danke Ihnen, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben“, fing die Reporterin an und neigte leicht den Kopf. „Und für die Erlaubnis, unseren Zuschauern Ihre Verlobte vorzustellen.“ Sie lächelte Andi an.
Andi erwiderte das Lächeln, so schwer es ihr auch fiel. Einen Tag zuvor noch war sie so glücklich gewesen, Jakes Verlobte zu sein. Und jetzt fühlte sie sich wie in einem schlechten Film ohne Drehbuch.
Die Reporterin wandte sich jetzt an sie. „Für Sie wird wahr, was sich jedes junge Mädchen erträumt.“
Andi nickte. „Ja.“ Nur dass der Prinz im Traum das Mädchen liebt. „Ich kann es selbst kaum glauben.“ Das war keine Lüge.
„War es sehr romantisch, als der König Ihnen den Heiratsantrag gemacht hat?“
Oh, Gott … Andi zögerte kurz. „Ich war so überrascht, dass ich kaum etwas davon erinnere.“
Die Reporterin und auch Jake lachten. „Das Wichtigste war wohl, dass Sie Ja gesagt haben“, fuhr die junge Frau fort und wandte sich jetzt an Jake. „Vielleicht können Sie uns mehr verraten.“
Gespannt blickte Andi ihn an. Was würde er sagen?
„Das ist etwas, das nur Andi und mich angeht. Aber ich bin sehr glücklich, dass sie bereit ist, meine Frau zu werden.“
Nicht so hastig. Dazu hatte sie schließlich auch noch was zu sagen. Und je länger sie hier im Scheinwerferlicht saß, den neugierigen Blicken aller ausgeliefert, umso klarer wurde ihr, dass sie so nicht leben wollte.
„Was für ein wunderschöner Ring“, unterbrach die Reporterin sie in ihren Gedanken, und die Kamera richtete sich auf Andis linke Hand. „Das passende Symbol für eine königliche Romanze.“
Allerdings. Pompös und verlogen. „Danke. Wir haben ihn in der Stadt gekauft. Es gibt hier so viele talentierte Kunsthandwerker.“
„Sehr beeindruckend, dass Sie dafür nicht nach New York oder Paris geflogen sind.“
„Andi und ich“, ergriff Jake jetzt das Wort, „wir sind beide sehr angetan von den vielen talentierten Menschen, die in Ruthenia leben. Hier scheint man noch das Detail zu schätzen und nicht daran
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