Königreich der süßen Versuchung
zu denken, wie man am schnellsten Profit machen kann. Und das wird sich auch wieder in der modernen Geschäftswelt durchsetzen. Davon bin ich fest überzeugt.“
Andi nickte lächelnd. Gar nicht ungeschickt von ihm, das Interview über ihre Verlobung zu einer Werbeveranstaltung für ruthenische Waren umzumünzen. Noch vor knapp zwei Tagen hätte sie diese Taktik bewundert, die ihr jetzt ins Herz schnitt. Denn ihr war klar geworden, dass genau dies ihre Rolle als Frau des Königs war. Nämlich alles für „ihr“ Land zu tun und die persönlichen Wünsche zu vergessen.
Offenbar hatte die Reporterin sie etwas gefragt, denn sie sah sie auffordernd an. Andi hatte nicht zugehört, aber Jake, der ihre Verwirrung bemerkt hatte, sprang schnell ein. „Die Vorbereitungen für die Hochzeit liegen komplett in Andis bewährten Händen. In den Jahren unserer Zusammenarbeit hat sie oft bewiesen, wie gut sie so etwas kann.“
Dann holte er aus und erläuterte die besonderen ruthenischen Hochzeitsbräuche, und Andi dachte unwillkürlich an das, was in ihrer Familie üblich war. Sie war griechischer Abstammung, erkannte aber schon jetzt, dass das hier in Ruthenia keine Rolle spielen würde. Ihr Leben würde vollkommen in Jakes Schatten ablaufen.
Aber nur, wenn sie es zuließ. Warum also nicht Kontra geben? Sie warf Jake und dann der Reporterin ein strahlendes Lächeln zu. „Natürlich werden wir dabei auch unsere amerikanischen Wurzeln nicht vernachlässigen. Meine Vorfahren stammen aus vielen verschiedenen Ländern, und es wird uns ein Vergnügen sein, auch das bei der Hochzeitsplanung zu berücksichtigen.“
Damit hatte sie die Reporterin vorübergehend aus dem Konzept gebracht, genauso wie Jake, das war beiden anzusehen. Sie wusste, wie wichtig es ihm war, seine rein ruthenische Abstammung zu betonen. Gut, dann hätte er auch eine der ruthenischen Schönen heiraten sollen. Aber er hatte sich für eine Amerikanerin entschieden. Sie warf ihm ein zärtliches Lächeln zu.
Er wirkte überrascht, hatte sich aber schnell wieder gefangen. „Andi hat vollkommen recht. Die Erfahrungen in den USA haben unser Leben bereichert, und wir möchten sie nicht missen. Unsere amerikanischen Freunde sind selbstverständlich herzlich eingeladen.“ Lächelnd legte er ihr den Arm um die Schultern. „Aber jetzt müssen Sie uns entschuldigen. Für den Unabhängigkeitstag ist noch viel vorzubereiten. Lassen Sie mich nur noch eins sagen: Was wir Ruthenier in den letzten drei Jahren geschafft haben, erfüllt mich mit Stolz. Das Bruttosozialprodukt kann sich sehen lassen, und die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie nie. Wir haben allen Grund, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.“
Er stand auf und mit ihm Andi, die innerlich fluchte, dass schon allein die harmlose Berührung Verlangen in ihr weckte. Die Reporterin schüttelte beiden die Hand, und Andi atmete erleichtert auf, als endlich die Scheinwerfer erloschen.
Jake führte sie aus dem Raum und ließ sie erst los, als sie in dem breiten Gang standen. „Gute Idee, den amerikanischen Einfluss zu erwähnen.“
Meinte er das ernst? „Finde ich auch.“ Sie lächelte tapfer. „Ich wundere mich allerdings, dass du dir eine Amerikanerin ausgesucht hast. Warum wolltest du nicht eine Frau aus Ruthenia heiraten? Dann wären auch deine Kinder echte Ruthenier.“
Nachdenklich sah Jake Andi an, so als habe er bisher noch nicht an die Thronfolge gedacht. Vielleicht war die Verlobung auch für ihn irgendwie überraschend gekommen. Wollte er wirklich, dass eine typische Amerikanerin aus Pittsburgh die Mutter von Ruthenias künftigem König wurde?
„Ruthenier zu sein hat mehr mit der Einstellung als mit den Genen zu tun“, sagte er schließlich, legte Andi den Arm wieder um die Schultern und ging mit ihr den Flur hinunter.
„So? Gilt das auch für den Status als König? Da spielen doch sicher die Gene eine Rolle. Ich sollte mich wohl geehrt fühlen, dass du mich trotzdem erwählt hast.“
Erstaunt sah er sie an. Ganz offensichtlich war er es nicht gewohnt, dass sie ihm widersprach. Natürlich nicht, denn er war ja immer ihr Chef gewesen. Wer weiß, ob er noch daran interessiert war, sie auf sein königliches Podest zu heben, wenn er die richtige Andi kennenlernte …
„Ich habe keineswegs erwartet, dass du dich geehrt fühlst“, erwiderte er und grinste. „Aber denk doch mal an die ganzen Vorteile, die dir der Status bringen kann.“
Himmel, war der Mann denn nie aus der Ruhe zu bringen?
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