Königsallee
nicht auch um den Finger wickelt.«
Bachs Handy klingelte. Während sie telefonierte, schloss Reuter die aufgerufenen Seiten und schaltete den Computer ab. Er fand den Tacker und heftete die Visitenkarte an den Bericht über das letzte Treffen mit Robby.
Die KK-11-Leiterin verstaute ihr Handy. »Die Kollegen der K-Wache haben weitere Zeugen aufgetan. Punks oder Penner, die in der Nähe des mutmaßlichen Tatorts kampieren und momentan noch nüchtern genug für eine Aussage sind. Sieht nicht gut aus für unser heißes Flittchen.«
»Wieso?«
»Wann fing das Feuerwerk an?«
»Um zehn.«
»Unmittelbar zuvor fielen die Schüsse. Und um halb elf liefert uns die Richtertochter den Toten. Dreißig Minuten für zwei Kilometer. Was hat sie während der ganzen Zeit getan?«
»Sie stand unter Schock.«
»Klar.« Ela zog den Mund schief. »Wir werden uns das Früchtchen vorknöpfen. Vielleicht hast du auch ein paar Fragen auf Lager. Du kanntest das Opfer.«
»Okay.«
Lass dich bloß nicht für die Mordkommission einspannen, Reuter.
Reuter folgte der KK-11-Leiterin. Der Flur führte an zwei Treppenhäusern vorbei in den vorderen Flügel der Festung am Jürgensplatz. Bach legte ein flottes Tempo an den Tag.
»Was meinst du, Jan, könnte Henrike Andermatt selbst einen Grund gehabt haben, deinen Informanten abzuknallen?«
»Wie kommst du darauf?«
»Der Rechtsmediziner hat Schmauchspuren und Pulvereinsprengsel an ihrer rechten Hand festgestellt.«
Reuter versuchte, sich zu erinnern, was er darüber einst gelernt hatte.
Sie betraten Bachs Zimmer. Ein paar Kollegen hatten sich bereits eingefunden. Zwei Stühle waren frei gehalten – einer für Ela Bach, der andere für die Zeugin.
17.
Es hatte aufgehört zu regnen. Scholz tippte die Aussagen in seinen Laptop und überlegte, wozu diese Mordsache gut sein könnte: Punkte sammeln, sein Ansehen aufbessern.
Ihn wurmte Reuters Auftritt. Er nahm sich vor, sich von dem jungen Streber nicht irre machen zu lassen. Jan Reuter, ein Schönling im Angebersakko – vielleicht hatte der Kerl in seiner Kindheit zu viel Miami Vice geguckt.
Die Punks, die am Ufer ihre Zelte aufgeschlagen hatten, stocherten im Lagerfeuer und öffneten die nächste Runde Bier. Einer rief herüber: »Aber wir wollen auf keinen Fall ins Fernsehen!«
Scholz dachte an seinen Sohn, der bei Bettina lebte. Siebzehn Jahre, trotz der Pubertätswirren ganz passabel in der Schule. Kein Versagertyp wie diese Herumtreiber – weil sein Vater aufpasste. Ihre Beziehung war nicht frei von Konflikten. Scholz hatte Angst davor, dass ihm Florian einst den Rücken kehren würde wie Bettina. Ihre Klagen: Du bist mir zu anstrengend geworden. Dein Schweigen, deine Aggression.
Schritte knirschten auf dem Kies. Scholz griff nach der Lampe und leuchtete. Es war Hopp, der schon von Weitem seine Mähne schüttelte. »Die Kriminaltechniker lassen mich nicht an den Tatort!«
»Ist auch besser so«, erwiderte Marietta.
Scholz legte die Lampe weg, zog den tragbaren Drucker aus der Tasche, stöpselte ihn an den Laptop und hackte den Printbefehl in die Tastatur.
»Was ist das denn?«, fragte Onkel Jürgen.
»Privates Gerät«, wunderte sich Marietta.
Der Drucker surrte. In der OK-Gruppe arbeiten alle so, dachte Scholz. »Spart Zeit und Arbeit«, erklärte er und ließ die Punks das Protokoll unterschreiben. Dank ihrer Aussage stand nicht nur die Tatzeit fest. Auch der Ort war nun auf das Straßenstück jenseits des Zauns eingegrenzt. Es gab einen Durchgang zum Ufer, etwa hundert Meter flussaufwärts. Leider hatten die Kampierenden keinen Menschen gesehen.
»Auch ’n Schluck?« Ein schmaler Junge, der sich in eine Decke gehüllt hatte, hielt Scholz eine Pulle entgegen. Kurzes Haar, auf einer Seite abrasiert. Ein blasses Gesicht, zugetackert mit Piercings, leuchtete im Flackerschein des Feuers auf – kein Junge, sondern ein Mädchen, erkannte Scholz.
»Danke«, lehnte er ab. »Bist du die Marlies?«
Die Schmale nickte.
»Nachname?«
Sie blickte sich nach den anderen um.
»Der Typ ist korrekt«, rief einer ihr zu.
»Marlies Wiebold«, sagte sie.
Ausdruck und Stift. Ihre Unterschrift fehlte noch.
Während das Mädchen das Protokoll in den Schein des Lagerfeuers trug, um es zu lesen, musste Scholz wieder an seinen Zusammenstoß mit Reuter denken. Der Streber kannte den Ermordeten. Und noch immer war er hinter Manfred Böhr her. Wenn der Tote zu den Leuten des Koksbarons gehört hatte, war es möglich, dass die Schießerei
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