Königsallee
benachbarten Behörden jede Unterstützung, die wir brauchen. Außerdem faxe ich gerade sämtliche Reparaturwerkstätten im gesamten Großraum an und bitte um Meldung, falls ab morgen ein Kunde mit entsprechendem Reisemobil sein Rücklicht reparieren lassen will. Wir kriegen die Kerle, darauf kannst du Gift nehmen!« Wiesinger schleppte sich zurück an seinen Platz und heftete das Schreiben an die Werkstätten ab.
Am Tisch des MK-Leiters sah Reuter eine Frau, die ihn an jemanden erinnerte. Er gesellte sich zu den beiden. Die Frau hatte einen violetten Seidenschal auf den Schultern drapiert, als wollte sie von ihrer molligen Figur ablenken. Krauses, schwarz gefärbtes Haar, ein fröhliches Lächeln – ihm fiel ein, dass sie die Verkäuferin einer Zoohandlung war, in der er einmal eingekauft hatte.
Der MK-Leiter stellte sie vor: »Das ist Frau Wüpperfürth.«
»Wir kennen uns«, sagte sie. »Wie machen sich die Teufelsfeuerfische, Herr Reuter?«
»Prächtig«, antwortete Reuter. »Sagen Sie mir Bescheid, wenn wieder etwas Exotisches hereinkommt.«
»Demnächst vielleicht Steinfische.«
»Sind die nicht recht kostspielig?«
Thilo Becker mischte sich ein. »Frau Wüpperfürth hat vielleicht unseren Täter gesehen.«
Er reichte Reuter den Ausdruck eines Phantombilds: ein Dutzendgesicht.
»Den kenn ich«, sagte Reuter.
»Ja?«
»Mein Onkel aus Castrop-Rauxel sieht genauso aus.«
»Ha, ha«, machte Becker. »Okay, es ist nicht sehr aussagekräftig.«
»Aber glauben Sie mir«, sagte die Zeugin, »ich würde den Mann sofort wiedererkennen.«
»Es war dunkel«, gab der MK-Leiter zu bedenken.
»Aber er kam ganz dicht an mir vorbei. Ich stand am Geländer, das Feuerwerk begann gerade. Da hörte ich, wie etwas ins Wasser plumpste. Dann sah ich ihn, wie er noch etwas in den Rhein schleuderte. Als er dann an mir vorbeirannte, leuchtete das Feuerwerk besonders hell. Der Mann rempelte mich an, ohne sich zu entschuldigen.«
Becker bedankte sich und verabschiedete die Frau.
Sie zupfte ihren Schal zurecht und wandte sich noch einmal an Reuter. »Die Steinfische werden Ihnen gefallen.«
Als die Zeugin gegangen war, legte der MK-Leiter die Stirn in Falten und fragte: »Wieso sollte der Täter zwei Mal etwas in den Fluss werfen?«
»Vielleicht hat er Waffe und Magazin getrennt entsorgt.«
»Hm. Was hältst du von Frau Wüpperfürth?«
»Immerhin hat sie mich erkannt, obwohl ich nur einmal in ihrem Laden war.«
»Ich wusste gar nicht, dass du ein Aquarium hast. Ich dachte immer, das sei ein Hobby für schrullige Eigenbrötler.«
»Fische reden wenigstens kein dummes Zeug.«
Reuter ging zur Stellwand und überflog die neuesten Aushänge. Ein älteres Ehepaar, das am Samstagabend durch den Aaper Wald gewandert war, hatte etwa zur Tatzeit einen dunklen Kombi mit Neusser Kennzeichen bemerkt – das Reisemobil, auf das Wiesinger so große Stücke setzte, hatte bereits Konkurrenz bekommen.
Die Tür schwang auf, Anna Winkler schleppte Pizzakartons an. Rasch scharten sich die Kollegen um den Tisch. Reuter sicherte sich ein Stück. Ein Telefon schrillte, es war für ihn.
Reuter nahm den Hörer entgegen, schluckte halb zerkaute Pizza und meldete sich.
Es war Marion Koch, die Frau seines Kollegen Michael aus dem KK 22. Sie klang bedrückt, ein leichter Anflug von Panik in der Stimme. »Weißt du, wo Michael steckt?«
Bei seiner Freundin, dachte Reuter. Aber das wollte er Marion nicht auf die Nase binden. Nicht jetzt am Telefon.
»Er ist gestern Abend verschwunden und er hat ein paar Sachen mitgenommen, als wollte er verreisen. Kann das etwas Dienstliches sein?«
»Keine Ahnung, Marion. Wir arbeiten im Moment nicht an der gleichen Sache.«
»Er geht auch nicht an sein Handy. Da stimmt doch etwas nicht!«
Reuter sah keinen Grund mehr zu schweigen. Irgendwie waren sie Leidensgenossen. »Marion, ich muss dir etwas sagen.«
»Was denn?«
»Dein Mann … Michael hat eine Geliebte.«
Ein tiefes Seufzen am anderen Ende. »Jan, das weiß ich längst. Ich hab sie angerufen, doch bei ihr war er schon seit über einer Woche nicht mehr.«
Womöglich gibt es noch weitere Freundinnen, dachte Reuter. Er traute Michael das zu.
»Und vorhin hat ein komischer Kerl geklingelt und nach ihm gefragt.«
»Was für ein Kerl?«
»Seinen Namen hat er nicht genannt.«
»Wieso komisch?«
»Ich weiß nicht. Michael hat manchmal Umgang mit solchen Leuten, das liegt an eurem Job, aber er bringt sie normalerweise nicht nach Hause.«
Reuters
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