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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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zurück, bevor um sie herum die Hölle losbrach. Alle Mann waren plötzlich auf den Beinen und machten die Sturmgeschütze klar. Paul lief nach vorne. Jetzt hieß es, die eigene Haut zu verteidigen.
    »Feuer«, befahl der Kommandant. »Indirektes Schießen! Auf die Infanterie!«
    Indirektes Schießen war das einzige Mittel, um gegen die russische Übermacht bestehen zu können. Dazu wurde das Rohr so ausgerichtet, dass die Granaten flach über den Boden und nach oben gehend explodierten – eine Methode, die eine zehnfache Wirkung erzielte.
    Nachdem der Angriff des Feindes gleich mit solcher Vehemenz abgewehrt worden war, erfolgte in dieser Nacht kein zweiter mehr, und es trat vorerst trügerische Ruhe ein.
    Am nächsten Tag ging es weiter, so schnell sie es mit den geringen Mitteln vermochten. Irgendwann würden sie ja hoffentlich auf die versprochene Verstärkung stoßen, auf starke Panzer und Geschütze. Dann konnten sie sich mit frischem Material und Munition ganz neu aufstellen. Bei jedem Halt mussten sie jetzt darauf achten, den Russen nicht die Möglichkeit zu geben, sie einzukesseln. Dazu nisteten sie sich in verlassenen Kolchosen und in ärmlichen Dörfern ein, wo sie den Ortsein- und – ausgang mit Geschützen verbarrikadierten und zusätzliche Wachen aufstellten. Russische Panzer umkreisten sie, trauten sich jedoch nicht, offen anzugreifen.
    Paul sah ein, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als dem Kommandanten die Anwesenheit Tanjas zu gestehen, bevor er selbst darauf kam. Er zog sie hinter sich her, und sie stand vor ihm wie eine arme Sünderin, die großen, dunklen Augen mit bezaubernder Schwermut auf ihn geheftet.
    »Bitte mich nicht wegschicken«, fleht sie mit erhobenen Händen, »ich sehr nützlich sein! Kapusta kochen, Wäsche waschen, alles tun!«
    »Das ist doch Wahnsinn!«, schrie von Seidel, als er begriffen hatte, um was es ging. »Wenn das Kreise zieht! Man wird sagen, wir haben eine russische Spionin bei uns!«
    Paul senkte den Kopf. »Ich schwöre, ich habe davon nichts gewusst,Herr Kommandant. Sie tauchte plötzlich unter der Plane auf … «
    »Zurückschicken! Sofort!«, unterbrach von Seidel. »Verdammter Mist!« Er lief aufgeregt hin und her. »Können Sie mir vielleicht sagen, wie? In dieser Einöde?« Er hielt sich den Kopf. »Aber wenn wir sie bis Poltawa mitnehmen, wird das die Moral der Truppe untergraben.«
    »Wir haben jetzt doch wirklich andere Sorgen, als uns um Moral zu kümmern!«, konnte sich Paul sich nicht enthalten einzuwerfen.
    Von Seidel starrte ihn ratlos an. »Ich kann das nicht verantworten.«
    »Überlassen Sie mir die Verantwortung«, sagte Paul entschlossen, »Frau Oblanska muss versprechen, sich vernünftig zu verhalten.«
    Der Kommandant seufzte tief auf. Er war wie alle anderen ausgebrannt, ausgehungert, und man spürte, dass es auch bei ihm jetzt nur noch um das bisschen Leben ging, das er sich bis zur endgültigen Kapitulation erhalten wollte; erschöpft, wie er war, von all den Anstrengungen und Entbehrungen, die der vergangene Winter von ihm und seiner Division gefordert hatte.
    »Gut«, sagte er schließlich. »Sie haben recht. Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.« Er schüttelte den Kopf. »Kenn einer sich mit den Weibern aus – ausgerechnet die Frau eines russischen Kommissars … «
    »Ich danke Ihnen«, Paul reichte ihm die Hand, »und verspreche, das in Ordnung zu bringen. Niemand wird von der Sache erfahren.«
    Er kehrte in die Baracke zurück, in der Tanja auf ihn wartete und die Suppe für ihn warm hielt. »Du kannst noch bis Poltawa bleiben«, sagte er kurz, »aber nur, wenn du versprichst, dort umgehend zu deiner Familie zurückzukehren!«
    Tanja presste die Lippen zusammen und blieb stumm. Sie hatte das Gefühl, als risse ihr Herz in zwei Teile.
    Die Soldaten betrachteten die junge Frau in Männerhosen zunächst mit seltsamen und verwunderten Blicken. Sie wussten nicht so recht, was von der ganzen Sache zu halten war. Die Welt schien verdreht und auf den Kopf gestellt. Im Verlauf der nächsten Tage zeigte sich jedoch, dass Tanja in vielerlei Hinsicht ausgesprochen nützlich war. Sie verhandelte mit dem Dorfschulzen in seiner Sprache, um ihnen Unterkunft und Essen zu sichern, sie feilschte um Nahrungsmittel, die den bohrenden Hunger bei der schlechten Lebensmittelversorgung stillten. Sie kaufte Kapusta, den russischen Kohl, Machorka, um Zigaretten zu drehen und natürlich Hafer für gutes, magenfüllendes Kascha, den

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