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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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Krieges so lange standgehalten hatte, bis er nur noch eine fühllose Hülle geworden war. Er nahm die 08, die er noch besaß, entsicherte sie und hob sie langsam gegen seine Schläfe.
    »Tun Sie das nicht!« Die leise Stimme des fremden jungen Mannes weckte ihn aus seiner Erstarrung. Er war neben ihn getreten und legte ganz sacht die Hand auf seine Schulter. Dann nahm er ihm die Pistole aus der Hand, sicherte sie und steckte sie in sein Koppel zurück. »Geben Sie nicht auf. Es ist noch nicht zu spät. Wir sollten lieber weitermachen!«, sagte er.
    Paul schüttelte den Kopf. »Zu spät!« Er hatte keine Kraft, keinen Mut mehr.
    Plötzlich drang ein Geräusch an sein Ohr, ein dumpfes Klopfen, einmal, zweimal, fünfmal, ein schwacher gedämpfter Ruf. Wie elektrisiert horchte er auf – und da war es wieder, das Klopfen, Geräusche und Töne, die wie erstickt und dumpf aus dem Boden kamen.
    »Hören Sie das auch?«, fragte er Schwarz, der ebenfalls unbeweglich lauschte.
    »Ich sagte Ihnen doch vorhin schon, ich hätte so etwas wie Klopfzeichen gehört. Aber das hier ist viel deutlicher!« Wie auf ein Kommando sprangen beide zur gleichen Zeit auf, packten die Schaufel, die Hacke und begannen, die lose Erde des eingestürzten Tunnels beiseitezuwerfen. Paul arbeitete wie besessen, als müsse er sich etwas beweisen. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie schaufelten, aber bald war ein kleines Stück des Zugangs wieder freigelegt. Jetzt konnte man deutlich die Mauer der Fundamente des Kellers erkennen und das tellergroße Loch, das sich unter ihnen befand. Beide Männer verdoppelten ihre Anstrengungen, arbeiteten fieberhaft. Von unten drang jetzt deutliches Stimmengewirr herauf, und als Willi mit der Taschenlampe hinunterleuchtete, konnte er eine Leiter erkennen, auf der jemand stand und die Hand nach ihnen ausstreckte.
    »Geduld!«, schrie Paul in höchster Erregung. »Wir sind gleich bei euch, noch ein kleines Stück, dann haben wir es geschafft!«
    Lautes, freudiges Rufen antwortete ihm. Doch die Öffnung musste nun mühsam und vor allem mit äußerster Vorsicht soweit vergrößert werden, dass sich ein Mensch unbeschadet hindurchzwängen konnte. Endlich war es so weit.
    Willi half, zuerst die Kinder herauszuziehen, die ihm erschöpft und weinend von dem ausgestandenen Schrecken um den Hals fielen. Dann kam die alte Frau, ihr Mann folgte, sich mühsam hinaufziehend, und die rothaarige Dame in ihrem mit Rußflecken übersäten blumigen Morgenrock. Erika Moritz, der noch ein einziger Lockenwickler im Haar baumelte, schob den Weißhaarigen vor sich her, dem die Tränen über die Wangen liefen.
    Zuletzt, von einem Soldaten hinter ihr gestützt, der ein Kleinkind auf dem Arm trug, sah Paul eine junge, blonde Frau Schritt für Schritt die Leiter hochsteigen, den linken Fuß ein wenig nachziehend. Sie hatte den Kopf gesenkt, um zu sehen, wohin sie trat, und als sie endlich oben war, blieb sie noch einmal stehen, um einen tiefen Atemzug in der herben Nachtluft zu tun. Dann hob sie ihm lächelnd das rußverschmierte Gesicht entgegen und wollte die Hand ihres Retters ergreifen. Doch dieses Lächeln erstarb im selben Moment, als Paul sie ansah.
    Auch er stutzte, und es schien ihm, als würde die Welt plötzlich angehalten, als sei er außerhalb der Zeit und der graue, regennasse Himmel stürze über ihm zusammen. Narrte ihn ein Traum?
    »Magdalena?«, fragte er leise und wie zögernd. Sie war ohne Hilfe herausgeklettert und stand jetzt vor ihm, sah ihn fassungslos an, ernst und fragend, mit weit aufgerissenen, dunklen Augen und bebenden Lippen, die nicht imstande waren, auch nur einen einzigen Satz zu formen.
    Vielleicht ist das ja alles gar nicht wahr, dachte er, vielleicht liege ich auf meiner Pritsche und träume – habe Halluzinationen, weil ich nach sechs Jahren Krieg meinen klaren Verstand verloren habe! Oder ich bin schon tot, weil ich irgendwann die Pistole gegen meine Schläfe abgefeuert habe. Er kam nicht dazu, weiterzudenken.
    »Paul!«, Magdalena fiel ihm schluchzend um den Hals und er verlor fast das Gleichgewicht auf all dem Geröll mit den vielen Steinen. Dann schloss er die Arme um sie und drückte sie so fest an sich, wie er konnte.
    »Bist du es wirklich? Hier und … jetzt? Magdalena?« War dieses heisere Krächzen wirklich seine Stimme, die sich in den hellen jubelnden Ton der ihren mischte, mit der sie seinen Namen rief? Er nahm sie bei den Schultern, hielt sie von sich weg und starrte sie an wie eine

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