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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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Alarmsignal durch das Lager schrillen. Scheinwerfer gingen an und die Soldaten sprangen aus ihren Betten.
    Anouschka rannte auf ihn zu, doch er drückte ihr nur den Lenker des Motorrades in die Hand. »Flieh!«, schrie er, »rette dich! Du tust mir leid.«
    Die Wachposten sahen mit Verwirrung und Zögern zu, wie Anouschka sich auf den Sitz der Maschine schwang. Das war doch eine der tüchtigen Rot-Kreuz-Helferinnen. Wo wollte die denn hin?
    »Nehmt sie fest, die falsche Krankenschwester: Das ist eine russische Spionin«, schrie jetzt jemand, und Anouschka, die erkannte, dass alles vergeblich gewesen war, spuckte Paul verächtlich vor die Füße, bevor sie rücksichtslos Gas gab. Die Unsicherheit, mit der man nicht auf eine Frau in Schwesterntracht schießen wollte, ließ sie Zeit gewinnen. In halsbrecherischem Tempo raste sie unter den erstaunten Blicken der Soldaten, die das schussbereite Gewehr sinken ließen, davon.
    »Eine Verrückte!«, murmelte Hans, der mit den anderen Gehfähigen aus dem Lazarett gehumpelt kam. »Kennst du sie? Habe ich die nicht eben an deinem Bett gesehen?«
    Paul schüttelte den Kopf. »Eine russische Spionin! Sie hat sich hier eingeschlichen und wollte mich zwingen, ihr zu helfen!«
    Dr. Müller, der Stabsarzt, schlurfte verschlafen aus der Baracke. »Was ist denn hier los? Ich hab die paar Stunden Schlaf wirklich nötig …«
    »Nichts Besonderes!«, winkte Paul ab. »Es tut mir leid – aber diese Krankenschwester, die vorgestern eingestellt wurde, hat plötzlich durchgedreht. Sie hat mir irgendeinen Unsinn erzählt, mich mit einer Giftspritze bedroht und wollte mich zwingen, mit ihr zu gehen. Natürlich hab ich das nicht gemacht. Als der Alarm schrillte, hat sie Angst bekommen und ist abgehauen. DieMaschine, die sie geklaut hat, werden wir leider verschmerzen müssen.«
    »Was ist denn das für ein Gequatsche? Sind Sie von allen guten Geistern verlassen, Mann? Hier Liebeleien anfangen!«, schrie der Stabsarzt und strich sich das wirre Haar zurück. Sein Gesicht war müde und grau, sein Hemd durchgeschwitzt, und man sah ihm an, dass er keine Lust hatte, sich mitten in der Nacht mit so unwichtigen Dingen zu befassen.
    Paul senkte den Kopf. »Ich hab wirklich nichts gemacht!«
    »Erzählen Sie das doch Ihrer Großmutter!« Sein Ton wurde ein wenig leutseliger. »Aber nicht mitten in der Nacht!« Er schwieg kurz und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. »Ich verstehe Sie ja!«, brummte er. »Diese schwarzhaarige Vollbusige ist mir sofort aufgefallen. Eine seltene Schönheit, viel zu schade für die Drecksarbeit hier! Aber lassen Sie in Zukunft solche Dummheiten und verdrehen Sie meinen Krankenschwestern hier nicht den Kopf. Wir brauchen sie alle dringend. Wenn so etwas noch mal vorkommt, mache ich Meldung!« Er gähnte und ging mit schleppendem Schritt in seine Baracke zurück. Morgen standen den ganzen Tag wieder Operationen auf dem Plan. Und die Bedingungen, die in diesem Lazarett herrschten, waren wirklich nicht die besten.

7. Kapitel
H ARTE P RÜFUNGEN
›Liebster Paul,
verzeih mir, wenn meine Zeilen heute gedämpft klingen. Ich weiß, Du stehst im Feld, weit fort an der russischen Küste, der Krim und siehst an jedem Tag dem Tod in vorderster Front ins Auge. Mein Herz zittert vor Angst, wenn ich auch nur daran denke, in welcher Gefahr Du tagtäglich schwebst. Ich kämpfe dagegen nur mit mir selbst, mit dem Schmerz in meinem Innern, der wie ein Eisenring meine Brust umschnürt und dessen ganze Wahrheit ich immer noch nicht fassen kann. Gestern haben wir meine liebe Mutter beerdigt! Obwohl sie seit Monaten nicht mehr sie selbst war, weil sie sich nach Lutz‘ Tod mehr und mehr mit Beruhigungsmitteln und Alkohol betäubte, so war es doch bitter, dass sie so plötzlich verlöscht ist. Aber noch schwerer war es zuzusehen, wie sich ihr Verfall beschleunigte. Großmama Louise zog es vor, die Augen vor den Tatsachen zu verschließen, und auch für Theo und Gertraud ist es wohl besser, dass sie nicht ganz begriffen haben, was sich hier wirklich abgespielt hat. Sie werden Mama so in Erinnerung behalten, wie sie war.
Sicher hast Du jetzt ganz andere Sorgen, aber ich wollte Dir doch auch schreiben, was in der Heimat passiert und wie sehr mich die vergangenen Ereignisse niedergedrückt haben. Mein Leben ist ein wenig in Unordnung geraten, und es gibt noch etliches Andere, das ich nur Dir sagen möchte – nicht aber in einem Brief. Man weiß ja nie, wer ihn sonst noch

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