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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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während das Brummen und Rasseln der fahrenden Kolonne sich weiter näherte. Plötzliche Unsicherheit erfasste sie. Wenn Paul nun auch unter diesen Soldaten war? Möglicherweise hatte man ihn bereits aus dem Lazarett entlassen! Konnte sie zusehen, wie er mit seinen Kameraden in die Falle ging, rücksichtslos abgeknallt oder in die Luft gesprengt wurde? Sie krampfte ihre Hand um ihre Waffe und fühlte, wie sie auf einmal zu zittern begann.
    Im unbequemen Transportzug und verschiedenen Güterwaggons gelang es Paul inzwischen, sich bis nach Deutschland durchzuschlagen und endlich seine Heimat Königsberg zu erreichen. Obwohl sein Herz wegen des traurigen Anlasses schwer war, wehte es ihn wie mit einem warmen, vertrauten Hauch an, als die bisher kaum bombardierte Stadt nahezu unversehrt vor ihm lag. Aber er haderte mit dem Schicksal – warum hatte die Bombe gerade sein Elternhaus getroffen?
    Die bekannten Gebäude, die Straßen, die er so oft gegangen war, die grünen Lungen der Parks und der würzige Geruch, der vom Meer herüberstrich, trieben ihm die Tränen in die Augen. An den Litfaßsäulen klebten Nazi-Propaganda-Plakate mit jubelndenheldenhaften Soldaten, und dick gedruckten, markigen Sätzen, in denen man die Errungenschaften der Armeen und ganz besonders die glorreiche Eroberung der Krim pries.
    »Heil Hitler« grüßende Bürger, die ihn erkannten, eilten wichtigtuerisch an ihm vorbei, und Paul dachte, wie wenig sie doch von der brutalen Wirklichkeit im Feld wussten, von der Front, von blutenden, verstümmelten Verletzten, dem penetranten Gestank der Leichen und knallenden Feuer von Geschützen und Granatwerfern, dem rauchumwölkten Himmel über Tod und Vernichtung.
    Er konnte es nicht ertragen, sofort den Ort des Unglücks aufzusuchen und ging zunächst mit dem Befehl für die Ersatzteile in die Werkstatt, damit alles Nötige hergerichtet werden konnte. Im Hospital übergab er die Order für die Medikamente. Überall wurde er lächelnd und dienstbeflissen empfangen, nicht weil man ihn kannte, sondern weil man ihn wie einen der auf buntem Papier gedruckten Helden betrachtete; den tapferen Verteidiger des Vaterlandes, der die letzten Siege erkämpft hatte.
    Nachdem alles erledigt war, musste er sich hämmernden Herzens zwingen, den vertrauten Weg nach Hause einzuschlagen. Als er an dem Ruinenfeld anlangte, wo er einst als kleiner Junge im Garten gespielt hatte, blieb er betroffen stehen und starrte auf die Reste dessen, was ihm seit seiner Kindheit und Jugend teuer gewesen war: Eine schwarze, verkohlte Trümmerlandschaft mit einem Mischmasch aus Steinen, Betonstücken und Eisenteilen.
    Warum hatte es das Schicksal gewollt, dass ausgerechnet sein Vaterhaus so schlimm zerbombt wurde, während ringsum noch alles heil war? Vereinzelt sah er bekannte Dinge aus dem Schutt hervorragen, wie den geblümten Lehnstuhl, in dem sein Vater immer gesessen hatte. Er wandte die Augen ab und sein Mund zuckte. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er schrak zusammen, sah sich um und blickte in das vertraute Gesichtseiner Schwester Christine. Sie fiel ihm weinend um den Hals, und er dankte dem Himmel, dass sie noch lebte.
    In Russland brummte die Wagenkolonne langsam heran, gefolgt von Panzern, schwerem Gerät und beladenen Transportern mit Lebensmitteln und Winterausrüstung. Scheinwerfer durchschnitten die Luft und der Fahrer erblickte den Soldaten mit dem Abzeichen der Feldgendarmerie und stoppte. »He, was ist denn hier los?«
    »Die Straße ist gesperrt!«, antwortete Anouschka mit verstellter, tiefer Stimme. »Hier entlang!« Sie wies auf den Pfeil neben den Absperrungsleisten und winkte dem Fahrer, in diese Richtung abzubiegen. Doch der war auf einmal misstrauisch geworden und stieg aus. »He, komm doch mal her, Kamerad«, rief er aus. »Von wem hast du die Anweisung?« Doch der Feldgendarm war urplötzlich wie ein Phantom in der Dunkelheit verschwunden.
    »Hast du das gesehen?« Der Fahrer des zweiten Wagens hatte ebenfalls sein Fahrzeug verlassen und rieb sich die Augen. »War das überhaupt einer von uns?«, fragte er den neben ihm sitzenden Hans.
    »Sah so aus!«, antwortete der mit gerunzelter Stirn. »Aber warum ist er dann so schnell abgehauen?« Mit Taschenlampen leuchteten sie die Straße ab. »Irgendwas kommt mir hier komisch vor! Der Mann hatte so einen merkwürdigen Akzent. Und jetzt ist er weg. Motoren abstellen«, rief er und winkte den anderen, zurückzubleiben. Mit angehaltenem Atem

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