Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Heinrich, werde ihn vertreten. Jordan hatte dem König geraten, es so zu halten, aus Furcht vor Attentaten.
Langustier verharrte kurz vor der imposanten Front des Gebäudes mit dem vierstöckigen, turmartigen Mittelbau, auf dessen Dach die Sternwarte ihre Beobachtungsplattform hatte. Darunter war dieBibliothek der Akademie der Wissenschaften einquartiert, weiter unten befand sich das Theatrum Anatomicum. Der Polizeichef und seine Leute, die nur auf ihn gewartet hatten, verließen nun rasch das hektische, unproduktive Getriebe im Trakt der Militärverwaltung und gingen mit ihm in Richtung Brandenburger Tor davon.
Beritten die Vorhut, die das Schlüternsche Palais sichern sollte, zu Fuß die Nachhut, darunter die Kommissare, die sich die Frist des Morgenspaziergangs mit einigen Mutmaßungen verkürzten – so marschierte man, ohne an diesem geschäftigen Tag irgendwelches Aufsehen zu erregen, unter den Linden dahin. Von Beeren und von Waldegg, ebenso der Magister Adler schlossen sich dem Umzug an, als er an der ›Neuen Welt‹ vorüberkam.
Stolz lenkte der vornehme Herr seinen eleganten, schnittigen Zweisitzer durch das Brandenburger Tor. Einen Grafen von Bernau wollte niemand aufhalten an diesem schönen Morgen. Adrett die dunkelbraunen Pferde mit den weißen Helmbüschen, wunderschön die rote Lackierung des schnellen, wendigen Gefährts. Grandios das vielfarbige, mit Gold nicht sparende Wappen auf den Schlägen. Die Wache sah ihm gerne durchs Tor hinaus nach, wie er an der Mauer entlang Richtung Potsdamer Tor davonpreschte und verpasste somit den Anblick der seltsamen Truppe, die gerade am anderen Ende des Quarrées in die Wilhelmstraße einbog.
Heinrich Steffen war es gelungen, sämtlichen Bemühungen, seine unter der Stechbahn sträflich versäumte Festsetzung nachzuholen, zu trotzen. Kaum dass ihn die zu seiner Sicherheit bestimmte Eskorte glücklich in der ›Neuen Welt‹ abgeliefert hatte, war er auf und davon. Im ›Schlösschen‹ hätte man ihn vor Tagen beinahe aufgegriffen und so war er in die ›Rote Sonne‹ ausgewichen. Dort hatte er heute eine hübsche neue Garderobe und diesen netten Wagen herrenlos gefunden und sich beides ohne Schwierigkeiten zu eigen machen können. Seinen Ausweis hatte er bei erster Gelegenheitden neuen Gegebenheiten angepasst. Nun wäre dies Berlin also Vergangenheit, dieser Pfuhl aus Dummheit, Verbrechen und Langerweile, nichts wie weg! Er ließ die Braunen arbeiten, sonnte sich in seinem neuen Stand, in seiner unvermuteten Beweglichkeit, ja Rasanz!
Nach Potsdam würde er fahren, vielleicht weiter, solange wäre er vor Nachstellungen sicher. Bis der Besitzer des Gefährts den Verlust bemerkte, könnten Stunden vergehen. Er wäre längst über alle Berge, sollte man ihm nachsetzen. Steffen jubilierte, wenn er an die glückliche Wendung der Ereignisse dachte. Dass er von dem Fräulein keinen Lohn erhalten hatte, ärgerte ihn, und er hätte, obgleich er am Tode Marquards völlig unschuldig geblieben war, nie und nimmer zugegeben, dass er keine Belohnung verdient hatte. Hatte er sich nicht in schreckliche Gefahr begeben? Hätte er nicht allein bei dem Versuche, Marquard zu töten, selbst getötet werden können? Stand ihm da nicht eine angemessene Entschädigung zu, zumal dem Fräuleins das sich niemals seine Finger beschmutzte, das Ergebnis gar nicht bekannt geworden sein konnte? Doch seine Auftraggeberin hatte nicht die Chuzpe besessen, ihrer eigenen Tat in die Augen zu sehen, sondern sich lieber gleich aufgehängt. Und ihre Freundinnen, die er vorsichtig hatte befragen lassen, wollten nichts mit ihm zu schaffen haben.
Gleichwie – es war eine Lust, dies alles überwunden zu haben und die Räder unter sich rollen zu spüren. Er schaute in den blauen Himmel hinauf und sah einen Schwarm Lachmöwen in den sich langsam lichtenden Baumkronen sitzen. Ein Ruck hieß ihn die Augen wieder auf die Straße richten: Der Wagen schlingerte und kam gefährlich nahe an die niedrige Mauer, touchierte sie einmal, zweimal, so dass die Pferde angstvoll in die Gegenrichtung rissen. Mühsam konnte er sie davon abhalten, in den Tiergarten durchzugehen. Bäume und Büsche rauschten vorbei. Die Tiere waren nicht mehr zu halten. Da humpelte plötzlich ein Mann in seinen Weg! ›Zur Hölle – zurück!‹
›Zur Hölle!‹ traf es besser, ein Zurück gab es nicht mehr! Der Unglückliche hatte keine Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Eines der Räder streifte ihn, der eiserne Beschlag zerriss
Weitere Kostenlose Bücher