Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
Mittagessen gingen und er mit einer weit ausladenden Geste, die Tür zur Südhalle öffnete. Er war glänzender Laune, genauso wie ich. Während Liana lächelte, gab Lorenz ein unmutiges Grunzen von sich. Ich musterte Shirley und stellte fest, dass sie sich von ihrem Rückfall am Semesteranfang immer noch nicht erholt hatte. Sie war wieder unscheinbarer geworden, stiller und blasser.
„Was ist das eigentlich?“, fragte Lorenz mit hochgezogenen Augenbrauen, während er sich eine Kelle Suppe aus der Terrine nahm, die in der Mitte des Tisches stand und auf seinen Teller goss.
„Keine Ahnung“, sagte Liana und stocherte mit dem Löffel in ihrem Essen herum. „Sieht aus wie Bohnen, schmeckt aber anders, eher wie Hühnchen, aber es ist nicht schlecht“, fügte sie kauend hinzu.
„Das sind Fächerwaldwürmer“, sagte Adam langsam und betrachtete neugierig Lorenz. Der würgte und Liana hielt mit dem vollen Löffel inne, den sie gerade in den Mund schieben wollte. „Das beste Essen für müde Magier, leicht verdaulich und außerdem erhöhen sie die magische Kraft um ein gutes Viertel.“ Adam grinste. Liana schob sich den Löffel in den Mund und kaute eifrig.
„Das werde ich nie im Leben essen.“ Lorenz schob angewidert seinen Teller von sich und nahm sich eine zappelnde Quitsche aus einem Obstkorb, den ein Faun soeben auf den Tisch gestellt hatte.
„Wenn du zwei Wochen in der Wüste von Tabernas unterwegs gewesen bist und nur von Stumpfeichelbrot und Wasser gelebt hast, kommt dir ein Teller Fächerwaldwurmsuppe vor, wie das beste Essen, dass du in deinem Leben je hattest“, sagte Adam, während er Lorenz abschätzig musterte. „Aber in diese Verlegenheit wirst du wahrscheinlich nicht kommen.“
Lorenz verzog beleidigt das Gesicht.
„Pass mal auf, du Held. Auch wenn du berühmt bist, gut aussiehst und schon reichlich erlebt hast, gibt dir das nicht das Recht über andere zu urteilen. Du hast keine Ahnung von mir und meinem Leben“, stieß er wütend hervor.
Ich wunderte mich über Lorenz Reizbarkeit, sonst begegnete er solchen Bemerkungen immer mit reichlich Humor. Es schien mir fast, als ob die beiden an diesem verbalen Schlagabtausch Gefallen gefunden hatten. Irgendetwas stimmte nicht mit Lorenz. Ich beobachtete ihn und schob meine Suppe noch ein bisschen auf dem Teller hin und her, bis ich mich schließlich überwand, einen Löffel zu kosten. Es schmeckte nicht schlecht und weil mein Magen gierig knurrte, leerte ich meinen Teller zügig. Vielleicht half es ja wirklich.
Nach dem Essen eilten wir zu Professor Schönhubers Windkabinett durch Tür Nummer 55. Ich betrat als Letzte den Seminarraum. Die Mittagssonne schien schräg in den großen Raum hinein, der völlig leer waren. Es gab keinen Schreibtisch und keinen Stuhl. Über uns erhob sich eine riesige, gläserne Kuppel, die den Raum nach oben vergrößerte. Die großen Fenster waren weit geöffnet und eine seichte Brise trug die frühlingsfrische Luft herein, die jetzt zum Mittag durch die Kraft der Sonne erwärmt worden war. Ich trat an eines der geöffneten Fenster, atmete tief ein und ließ meinen Blick über die einsame Berglandschaft schweifen, die durch die zarten Grüntöne der zahllosen Bäume wie verzaubert leuchtete. Ich hoffte, dass wir im zweiten Semester bei Professor Schönhuber endlich mit den magischen Übungen anfingen. Bis jetzt hatte ich nur Theoretisches gehört. Gespannt ließ ich mich mit den anderen im Schneidersitz auf den Boden sinken und wartete auf Professor Schönhuber, die bald darauf das Zimmer betrat. In ihrem langen, beigen Kleid und mit den Handschuhen, die sie immer trug, sah sie aus wie ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert. So interessant ihre Mode war, so enttäuschend war ihr Unterricht. Ganze neunzig Minuten lang referierte sie wieder einmal zu Thermik und Wetterphänomenen und kein einziges Mal zauberte sie oder brachte uns einen Zauber bei.
„Machen wir noch etwas Praktisches?“, fragte ich ungeduldig in einer Redepause zwischen ihren Erläuterungen zu Hoch- und Tiefdruckgebieten.
„Ach, wir werden ungeduldig, Selma Caspari, dann zeigen sie uns doch mal, was sie können und probieren eine einfache Windbewegung.“ Professor Schönhuber führte die Übung vor. Mit einer ihrer behandschuhten Hände bewegte sie die Luft im Kreis und tatsächlich entstand nach kurzer Zeit eine kleine Windhose, die geführt von ihrer Hand munter durchs Zimmer hüpfte. Professor Schönhuber sah mich erwartungsvoll an, genauso
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