Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
schlagartig klar. Jede seiner weich fließenden Bewegungen sprach ganz deutlich aus, dass er andere Interessen hatte als der Durchschnittsjunge aus Schönefelde. Er trug eng geschnittene Jeans und dazu eine helle Lederjacke, deren Kragen er zum Schutz gegen die Kühle des Morgens hochgeschlagen hatte. Darunter blitzte ein Hemd mit Leopardendruck hervor. Bevor er zum Kofferraum ging, um sein Gepäck auszuladen, setzte er sich eine übergroße Sonnenbrille auf. Sein dunkles Haar war gefranst geschnitten und mit reichlich Gel in Form gebracht. Ich stieß Liana an und grinste. Auch sie hatte gebannt zugeschaut. Mit zwei Koffern und einem Rucksack bepackt, alles farblich in beigem Leder aufeinander abgestimmt, kam er direkt auf uns zu. Er stellte sein Gepäck neben unseres und schob die Sonnenbrille in seine Haare hinauf.
„Guten Morgen, Lorenz Silver mein Name.“ Seine Stimme war weich und angenehm. Er war mir sofort sympathisch.
„Hi, ich bin Selma und das ist Liana, freut mich.“
„Süße, du hast tolle Haare. Was dir fehlt ist ein ordentlicher Schnitt und etwas mehr Pflege. Sorry, ich kann nicht aus meiner Haut, ich bin Friseur“, legte er los. Ich grinste ihn an. Lorenz Silver und seine offene, herzensgute Art waren genau das Richtige, um mich von meinen trüben Gedanken abzulenken.
„Was macht ein Friseur in Tennenbode?“, fragte Liana interessiert.
„Man sollte sich im Leben nicht allzu zeitig festlegen, honey, ich habe viele Talente und weißt du, was erst losgeht, wenn ich meine Talente kombiniere und wie viele Magier entscheiden sich schon für eine Laufbahn als Friseur. Gib zu, du warst bisher auch nur bei einem nichtmagischen Friseur.“ Ich nickte und stellte fest, dass ich mir über diese Dinge bisher noch gar keine Gedanken gemacht hatte. „Ich plane da eine ganz neue Geschäftsidee“, fuhr Lorenz begeistert fort. „Wenn ich die Elemente beherrsche, kann ich Haare noch schneller stylen als bisher. Waschen, Föhnen in Sekundenschnelle, als Herr der Elemente ist das kein Problem, na und außerdem wollte ich meinem Herrn Vater einen Gefallen tun und noch etwas Ordentliches lernen. Mit meiner Lehre als Friseur war er nämlich nicht wirklich glücklich. Er hat wahrscheinlich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass aus mir noch einmal ein normaler Mann wird“, seufzte er theatralisch. Ich schaute Lorenz Silver an. Sein androgynes Aussehen, seine Art zu reden und zu gestikulieren, sprachen ein deutliches Zeugnis dafür, dass die Hoffnung von Lorenz Vater definitiv vergebens war.
„Wer ist denn dieses fashion victim da drüben?“, fragte er mit einem Kopfnicken zu Shirley, die gerade ihre Beine mit den hohen Absatzstiefeln elegant übereinander schlug.
„Das ist Shirley Madden, selbst ernannte Modekönigin der Schönefelder High Society.“ Ich kicherte vergnügt.
„Sie hat wohl den Absatz nicht gelesen, dass das Gepäck auf maximal zwei Koffer und einen Rucksack zu reduzieren ist.“ Lorenz runzelte missmutig die Stirn. „Ich gebe zu, dass war für mich eine radikale Herausforderung und fünf meiner schönsten Outfits musste ich zu Hause im Schrank lassen, aber besser das, als alles allein den Berg bis nach oben zu schleppen“, fügte er kopfschüttelnd hinzu, während er mit den Fingern, den perfekten Sitz seiner Sonnenbrille kontrollierte. Ich genoss seinen Redeschwall. Er lenkte mich völlig von meinen Problemen ab.
„Wie bitte?“ Liana schnappte neben mir nach Luft. „Wir müssen alles alleine bis nach oben schleppen?“
„Na, da bin ich aber froh, dass ich alles in einen Koffer gequetscht habe“, fügte ich hinzu. Ehrlich gesagt, hatte ich gar nicht so viele Kleidungsstücke, um damit mehrere Koffer zu füllen. Die Hälfte des Koffers nahmen allein schon die zwei dicken Wälzer über die magische Gesellschaft ein, die ich eingepackt hatte.
„Süße, mir ist es ein Rätsel, wie du es geschafft hast mit nur einem Koffer auszukommen, mit deinen Haaren, da kann man doch so viel kombinieren. Na, vielleicht leih ich dir mal was aus. Ich hab da ein moosgrünes Hängerchen, das ist der absolute Brüller zu deinen Haaren“, schwärmte Lorenz laut, während er meine Haare wieder fachmännisch begutachtete.
„Hängerchen? Klingt toll!“, antwortete ich zögernd. Hupend fuhr ein Linienbus auf den Parkplatz und wendete, bevor er hielt. Unter lautem Gemurmel und Gelächter stieg eine ganze Gruppe von Studenten aus und drängelte sich vor dem Gepäckfach des Busses. Mittlerweile
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