Königsfreunde (German Edition)
ließ sie ihn los. Robin warf ihr einen scheuen, fast sehnsüchtigen Blick zu, als würde er bedauern, dass sie sich zurückzog, und in Nesas Herz strömte eine Wärme, die sie sofort wiedererkannte. Sie entwickelte Muttergefühle für den Jungen. Ihre stillschweigende Übereinkunft schien ihm geholfen zu haben, seinen Widerstand etwas abzulegen. Nesa beschloss, genau so weiterzumachen. Sie betrachtete sein Gesicht, das nun viel entspannter wirkte als noch am Morgen und seine dichten Wimpern, die sich bewegten, wenn er in der Sonne blinzelte. Ja, er war hübsch, vor allem, wenn er sich entspannte und seine Maske fiel. Nesa versuchte sich vorzustellen, wie das Leben für ihn als König weitergegangen wäre, aber das gelang ihr nicht. Diese Welt war zu fremd und bestimmt war jede Vorstellung weit von der Wahrheit entfernt.
Der Wagen rumpelte auf den Hof und kam dann zum Stehen. Robin kletterte von der Ladefläche und begann, die unverkauften Waren abzuladen. Er beeilte sich, denn obwohl die Müdigkeit an ihm zerrte, freute er sich auf den einsamen Spaltklotz, das raue Holz, das Gefühl der Axt in seiner Hand, deren Schneide durch den Scheit fuhr. Selten hatte ihm etwas ein solches Gefühl der Zufriedenheit gegeben. Er wusste nur nicht, warum das so war. Er lud die nächste Kiste auf seine Arme und trug sie in den kleinen Holzschuppen. Nesa lächelte ihm zu und fast hätte er zurückgelächelt. In letzter Sekunde hielt er sich zurück. Was er hier tat, verstieß gegen jede Regel, die er kannte. Die Bäuerin berührte ihn, küsste ihn sogar, ein Unding. Niemand durfte davon erfahren. Aber ihre Fürsorge gefiel ihm. Zwar gegen seinen Willen, aber da war etwas, das er wollte. Ähnlich dem Gefühl, das ihn zu dem Holzstapel trieb. Eine Sehnsucht, etwas Unerfülltes, das ihm nicht bewusst gewesen war.
Sie luden die letzten Körbe und Kisten ab, und Robin ging so schnell wie irgend möglich zu seinem Spaltholz. Er packte die Axt und wilde Freude überkam ihn, als er das erste Stück Holz zum Spalten aufstellte. Er ließ die Axt niedersausen und es gelang so gut wie am Vortag. Zufrieden nahm er das nächste Holzstück und dachte wieder an die Vereinbarung zwischen ihm und Nesa, dass sie für heute Mutter und Sohn sein sollten. Robin dachte an seine eigene Mutter. Sie hatte sich ganz anders verhalten. Eigentlich war sie ihm immer recht fremd geblieben. Genau wie sein Vater. Robin ließ die Axt niedersausen und versuchte sich zu erinnern, ob die beiden ihn jemals als Sohn bezeichnet hatten. Vielleicht. Aber er war sich nicht ganz sicher. Er war der Prinz und so sprach man ihn auch an. Die Bauern hier sagten Robin zu ihm. Natürlich kannte er seinen Namen, aber im Grund war ihm dieser auch fremd. Erstaunlich ... die Bezeichnung als Prinz hatte ihn seinen Namen und seinen Status als Sohn gekostet, und jetzt, wo er hier war, trug er seinen Namen und konnte ein Sohn sein, wenn er wollte. Die beiden Zustände schienen sich gegenseitig auszuschließen und der Gedanke hatte etwas Trauriges. Er arbeitete weiter, den Blick fest auf den Hackklotz gerichtet. Dabei flogen seine Gedanken hin und her. Zu seinem alten Leben, den Pflichten, zu Marquard ... an ihn wollte er schon gar nicht denken. Der Verrat schmerzte. Marquard war der Letzte gewesen, den er verdächtigt hätte, ihm etwas anzutun. In seinem jungen Leben war Marquard sein steter Begleiter im Hintergrund gewesen, seine Stütze, seine Zuflucht. Marquard hatte sich gelegentlich um ihn gekümmert, ihn zum Lachen gebracht, seine ersten Versuche mit einem Holzschwert begleitet und angeleitet. Im Schlosshof hatten sie gemeinsam geübt. Und Marquard hatte ihn auf seinem Pferd reiten lassen. Robin konnte sich daran erinnern, wie klein er gewesen war ... und das Pferd so riesig. Marquard hatte ihn hochgehoben und ihm gesagt, er solle sich festhalten.
Euer erster Ritt, mein Prinz! Denkt immer daran, Ihr werdet ihn nie vergessen ...
Robin hatte ihn nie vergessen. Den Ritt auf dem prächtigen Sattel, den Hals des Pferdes vor sich, das zufrieden schnaubte. Marquard hatte sich im Gehen umgedreht und zu ihm hoch gelächelt.
Fühlt Ihr Euch wohl dort oben, mein Prinz? Eines Tages habt Ihr Euer eigenes Pferd.
Nach diesem Ritt war Robin zu seinen Eltern gelaufen und hatte sie um eigenes Pferdchen gebeten. Ohne Erfolg. Seine Eltern mochten keine Pferde und sahen Ausritte zur Jagd als lästige Pflicht an. Entsprechend nachlässig war die Aufstellung des Pferdebestands in den königlichen
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