Königsfreunde (German Edition)
hätte er längst vor der Tür gestanden.
Nesa sprach ihren Mann darauf an und er stimmte ihr zu, Michael zunächst nichts zu sagen, auch wenn es ihnen beiden schwerfiel.
Das Gepäck stand an seinem Platz und sie konnten es in der Frühe auf die Pferde schnallen. Clara schlich um ihre Eltern herum. Sie wollte den richtigen Moment abpassen, um sie zu fragen. Wahrscheinlich erlaubten sie es nicht, dass sie noch an diesem Abend Robin sah, aber einen Versuch war es wert. Seine Kleider lagen verschnürt zu einem Bündel bei ihren Sachen und gaben einen ausgezeichneten Grund ab, noch mal zu Bela zu reiten. Clara entschied, es zuerst bei ihrer Mutter zu versuchen. Sie wartete, bis sie beide allein in der Küche waren und wagte es dann.
»Mutter, ich hab hier Robins Sachen, die er trug, als er zu uns kam. Ich könnte sie ihm bringen. Sicher will er nicht in seinen einfachen Kleidern zum Schloss reiten«, sagte Clara und versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen. Nesa stellte einen Stapel Geschirr auf das Wandbrett und drehte sich zu ihr herum.
»Clara, ich möchte mit dir reden. Setz dich zu mir.«
Clara verdrehte die Augen.
»Bitte, Mutter. Ich weiß schon, was jetzt kommt. Aber so ist es nicht!«
»Darum geht es nicht. Setz dich!« Nesa zog einen Stuhl heran und bedeutete Clara, Platz zu nehmen.
»Mein Kind, ich freue mich ja, dass du Robin so gern hast«, begann Nesa. »Aber ich möchte dir sagen, dass ich da Bedenken habe. Du scheinst manchmal zu vergessen, wer er ist.«
Clara trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte.
»Du weißt, dass wir dir sehr viele Freiheiten lassen. Mehr als andere Eltern.«
»Aber aus dem Tal dufte ich auch nie«, unterbrach Clara sie. Nesa ignorierte den Satz und sprach weiter.
»Wenn Robin ohne Schwierigkeiten wieder an die Macht kommt – und Bela glaubt, das wird er – dann warten viele Pflichten auf ihn. Er wird abgelenkt sein, dort gibt es viele Menschen, alles wird sich nur um seine Person drehen. Es kann sein, dass er dich dann kaum noch beachtet. So was kann sehr wehtun.«
Clara senkte den Kopf. Einmal, weil sie sich schämte, ihrer Mutter etwas unterstellt zu haben und dann, weil sie selbst ähnliche Ängste hegte.
»Wenn du dich in Robin verliebst, was ich verstehen kann, denn er ist ein wunderbarer Junge, dann kannst du auch sehr verletzt werden. Es kann auch sein, dass Robin im Schloss bleibt und wir zurückkehren und getrennt leben. Du kannst nicht erwarten, dass er dich dort behält. Wahrscheinlich wird er eines Tages eine andere Frau heiraten. Jemand aus einem anderen Königreich oder eine höhere Tochter aus einer Adelsfamilie. All das kann passieren. Bitte denk daran und träume nicht von Dingen, die nicht sein können.«
»Er hat mich auch gern«, entgegnete Clara.
»Ja, aber er ist ein Junge und er ist ein Prinz. Alle Mädchen des Landes werden ihn umschwärmen. So junge Männer können da nicht widerstehen. Er wird sich umschmeichelt fühlen und es gibt so viele junge Mädchen, die um ihn werben werden ...«
»Denkst du vielleicht, ich bin nicht schön genug?«, fragte Clara und hätte sich in dem Moment am liebsten selbst ans Schienbein getreten. Ihre Mutter wollte ihr nur helfen, sie wusste es ja ...
»Tut mir leid«, sagte Clara.
»Du bist wunderschön. Aber Schönheit ist nicht alles. Manchmal gewinnen auch die Dreisten. Oder die Dummen.«
»Ich habe nie gesagt, dass ich ihn heiraten will«, sagte Clara. »Ich mag ihn nur ein bisschen, das ist alles. Er gehört zur Familie.«
Nesa schaute sie nachdenklich an.
»Bring ihm seine Kleider, wenn du willst. Dein Vater und ich werden morgen in aller Frühe bei euch sein.«
Clara sprang auf. »Wirklich?«
Nesa nickte. »Ich vertraue dir.«
»Du kannst Robin auch vertrauen. Er ist nicht so wie andere Jungen!«
»Mit wie vielen Jungen hattest du denn schon näher zu tun? Clara, ich vertraue Robin mehr als einem dieser Flegel aus dem Dorf. Trotzdem, denk daran. Du musst deine Entscheidungen auch tragen können.«
»Tue ich! Danke, Mutter!« Clara küsste Nesa auf die Wange und dann war sie schon zur Tür hinaus, um Wiesel zu holen. Robin würde Augen machen!
Robin schrak von seinem Bett hoch und ließ sein Buch fallen, als die Tür aufflog.
»Ich bin es!«, rief Clara und warf die Tür wieder ins Schloss.
»Bist du hier, um mich zu verabschieden?«, fragte Robin und hob das Buch wieder auf, in dem er gelesen hatte.
»Nein! Viel besser! Wir kommen mit dir morgen früh.
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