Königsfreunde (German Edition)
etwas nicht ins Bild. Marquard hatte kein Motiv für die Tat. Zumindest kein erkennbares.
Nesa gesellte sich zu Clara und legte ihren Arm um die Schultern ihrer Tochter.
»Wie geht es dir, mein Kind? Kommst du zurecht? Das muss ein furchtbarer Schreck gewesen sein.«
»Ja, ich habe nur gemerkt, dass mich etwas streift. War wohl der Griff des Dolches. Er hat mich an der Schulter erwischt. Ich glaube sogar, das hat den Messerwurf so abgelenkt, dass es nicht Robins Herz erwischt hat. Der Attentäter wollte ihn umbringen. Er hat auf sein Herz gezielt.«
Nesa schaute sie von der Seite an. »Du wirkst auf einmal so erwachsen. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber du siehst anders aus. Du liebst ihn.«
»Ja. Das tue ich«, sagte Clara und es kam ihr gar nicht mehr albern vor. Sie liebte Robin und sie würde nicht zulassen, dass ihm jemand etwas antat. Sie war nur ein Mädchen und trotzdem fühlte sie wilde Entschlossenheit. Sie würde kämpfen, herausfinden, was hier gespielt wurde. Clara sah sich unauffällig um und bemerkte, dass die Wachen sich nahezu verdoppelt hatten während sie hier liefen. Wo kamen all diese Männer her? Wer hatte sie gerufen und ihnen zugeteilt? Clara überlegte, was gleich passieren würde, wenn sie erst mal in ihren Zimmern ankamen. Wenn diese Wachen es nicht zu ließen, konnten sie die Räume nicht mehr verlassen. Und zu ihrem Schutz waren diese Männer sicher nicht da ... Clara löste sich von ihrer Mutter und blieb stehen. Nesa schaute sich nach ihr um.
Zwei Wachen blieben ebenfalls stehen und beäugten Clara, die auf einem Bein hüpfte.
»Geh nur weiter, Mutter. Ich habe wohl einen Stein im Schuh vom Rosengarten. Ich komme gleich nach.« Sie warf ihrer Mutter einen beschwörenden Blick zu. Nesa drehte sich um und ging weiter. Clara war ihr dankbar dafür. Sie hatte verstanden. Sie ging weiter und verschwand mit Jakob, Bela und den anderen Wachen in dem Gang, der zum Gästetrakt führte.
»Was ist? Wollt ihr zusehen, wie ich mein Kleid hochhebe?«, fragte Clara und versuchte, missgelaunt zu klingen. »Geht schon, und sagt meiner Mutter, ich will gleich noch etwas mit ihr besprechen. Sie soll auf mich warten.«
Die Wachen standen unschlüssig herum und sahen sich an. Sie sollten sie nicht alleinlassen, das war deutlich und sie ließen sich auch nicht ohne Weiteres zu ihrer Mutter schicken oder ablenken. Clara zog den einen Pantoffel aus und tat so, als untersuche sie ihn gründlich. Sie war ganz allein mit den beiden Männern, abgesehen von zwei vornehm wirkenden Damen höheren Alters, die langsam und sich unterhaltend auf sie zu gingen. Clara überlegte fieberhaft.
Dann zog sie den zweiten Schuh aus und setzte ein unzufriedenes Gesicht auf.
»Meine Füße sind ganz wund! Es ist unverschämt, dass mir so unpassende Schuhe angeboten wurden! Das bin ich wirklich nicht gewöhnt. Unglaublich! Diese Machwerke könnt ihr behalten, da kann niemand drin laufen!« Clara nahm einen Schuh und warf ihn in hohem Bogen über die Köpfe der beiden Wachen hinweg vor die Füße der älteren Damen. Eine von ihnen gab ein erschrecktes Geräusch von sich und die Wachen drehten sich um. Clara rannte los. Im Rennen raffte sie die Röcke und lief so schnell sie konnte. Die Schrecksekunde verschaffte ihr kaum einen Vorsprung, aber sie musste es wagen. Sie lief den Weg zurück, den sie gekommen war, rannte durch die Halle, sprang barfuß die Stufen hinauf in den Gang hinein, der zu den Gemächern des Königs führte. Sie hörte die Wachen hinter sich herlaufen, aber Clara war das Barfußlaufen gewöhnt und schleppte keine Waffen mit sich herum. Ihr Vorsprung musste groß genug sein, sie durften nicht sehen, wohin sie verschwand ...
Clara flitze den Flur entlang und hoffte inständig, dass ihr niemand begegnete. Dann bog sie in den Nebengang ein, wo sie die beiden Wäschemädchen getroffen hatte und riss an dem Türgriff der Kammer, aus der das eine Mädchen getreten war.
Bitte, bitte, lass sie nicht verschlossen sein ...
Die Tür gab nach und Clara schlüpfte durch den Spalt hinein und zog sie hinter sich zu. Gehetzt sah sie sich um. Es gab Regale und Ablagen mit Laken und Wäscheteilen, alles penibel ordentlich gefaltet. Ein winziges Fenster spendete einen Lichtstrahl, der kaum der Rede wert schien. In der Mitte stand ein kleiner Nähtisch und ein Eisen zum Plätten.
Clara packte einen Wäschetrog mit noch ungeplätteten Laken und kippte ihn aus. Sie legte sich auf den Boden und kroch unter das
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