Königsfreunde (German Edition)
anzuziehen, das widerstrebte ihr ebenfalls. Sie hatte vor, Robin um ein anderes Kleid zu bitten. Er hatte ihrer Mutter eines gegeben, da war es sicher kein Problem, dass sie auch eins bekam. Clara glaubte, den Rückweg zu Robins Gemächern allein zu finden und entließ Helen, die mit roten Wangen knickste und verschwand. Clara trat auf den Flur und schaute nach rechts und links. Es war niemand zu sehen. Kurz überlegte sie, nach ihren Eltern zu schauen, aber vielleicht war es doch besser, Robin zuerst aufzusuchen, damit sie nicht in diesem Kleid zum Frühstück erscheinen musste. Helen hatte auch darüber kein Wort verloren. Diskretion schien zur Ausbildung der Leute zu gehören, die im Schloss arbeiteten.
Clara ging über den sauberen Steinboden den Weg zurück, den sie gekommen war. Dass es im Schloss so reinlich war, obwohl sie bisher niemanden mit einem Besen gesehen hatte, erstaunte sie. Wahrscheinlich fanden die Reinigungsarbeiten dann statt, wenn der sich der König nicht in der Nähe aufhielt. Sie bog rechts ab und durchquerte eine Halle. Ja, hier war sie richtig. Sie stieg die Treppen hinauf und wandte sich dann links. Ihre Schritte hallten von den Wänden wieder. Das musste an der Bauart des Ganges liegen, den sie gerade passierte. Dann fuhr sie herum. Hatte sie auch Schritte hinter sich vernommen? Der Flur lag leer vor ihr. Da war niemand. Clara drehte sich um und beschleunigte ihren Gang. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit. Was, wenn es der Mann von letzter Nacht war, der ihr folgte? Clara begann zu laufen, sie rannte fast. Eine Hand packte sie plötzlich am Arm und sie schrie auf, versuchte sich loszureißen.
»He! Hör auf damit!«
Clara schaute in das Gesicht eines Mädchens. Sie war älter als Clara und etwas größer. Sie hielt sie am Arm und Clara warf einen Blick über ihre Schulter, aber der Mann war natürlich nicht da. Sie hatte sich schon wieder etwas eingebildet.
»Wer bist du und was hast du hier zu suchen?«, fragte das Mädchen und ein zweites tauchte neben ihr auf, einen Stapel frischer Laken im Arm, den sie wohl aus der offenstehenden Kammer hinter sich geholt hatte. Beide trugen dieselbe Kleidung wie Helen. Hellbraune Kleider mit schneeweißen Schürzen, die mit Spitze besetzt waren.
»Lass mich los!«, rief Clara und zog ihren Arm weg.
»Kommst du aus der Küche? Du hast hier nichts verloren«, sagte das andere Mädchen.
»Ich komme nicht aus der Küche«, widersprach Clara und fühlte Wut auf die beiden. »Ich bin auf dem Weg zum König.«
Die Mädchen starrten sie an. Dann presste sich eine von beiden die Hand vor den Mund und schon lachten sie los. Sie prusteten heraus und Clara ballte die Fäuste. Sie konnte es nicht leiden, wenn sie ausgelacht wurde.
»Was ist so lustig?«, fragte sie und verschränkte die Arme. Eines der Mädchen wischte sich die Augen.
»Du ... darfst den König nicht mal von Weitem angucken. Mädchen, geh zurück, bevor eine Wache dich hier erwischt und du für ein paar Stunden in die Kammer wanderst.«
Clara schnaubte. »Lächerlich! Ihr habt überhaupt keine Ahnung! Geht mir aus dem Weg!«
»Na, komm, sei doch vernünftig, Kleine. Wir wollen dir doch gar nichts! Wie kommst du denn auf die Idee, dass du zu seiner Majestät gehen könntest? Du redest wirr. Mach schon, troll dich!« Sie kicherte wieder und Clara wollte zu einer empörten Antwort ansetzen, als jemand ihren Namen rief. Sie drehte sich um und sah Robin im Flur stehen, umringt von seinen Wachen.
Clara hörte die Mädchen scharf einatmen und dann gingen sie auf die Knie.
»Achtung, seine Majestät!«, zischte ihr die eine der beiden zu.
»Ja, das sehe ich«, sagte Clara. Sie ließ die beiden knien und ging auf Robin zu.
»Wir hätten uns fast verpasst«, sagte Robin. »Wo warst du denn?«
»Ich wurde aufgehalten«, sagte Clara. Robin nahm ihre Hände und küsste sie rechts und links auf die Wange. Clara schielte über die Schulter und sah das, was sie zu sehen gehofft hatte. Entgeisterte Gesichter. Fassungslosigkeit. Wasser auf ihre Mühle.
»Gehen wir jetzt zu der Überraschung? Ich muss dich gleich auch noch was anders fragen«, sagte Clara.
»Selbstverständlich. Dein Wunsch ist mir Befehl«, sagte Robin. Clara grinste den Mädchen zu und ließ sich von Robin wegführen. Ein bisschen schäbig kam sie sich dabei vor, aber die beiden waren schließlich nicht ganz unschuldig.
Kurz darauf betraten sie ein Zimmer, dessen Tür offen stand und in dem mehrere Frauen
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