Königsjagd
Reichsführer Himmler gekommen ist.«
Er wollte ihm das Blatt geben, aber Schellenberg wehrte ab: »Nein, lesen Sie bitte vor, dann wissen wir alle, woran wir sind.«
»Brigadeführer Schellenberg wird seine gegenwärtige Aufgabe mit der gebotenen Eile erfüllen. Ein Mißerfolg kommt nicht in Frage. Wenn irgend möglich, muß er Sturmbannführer Kleiber persönlich hinzuziehen. Jeder Verstoß gegen diesen Befehl ist mir umgehend mitzuteilen.« Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, und dann wandte Schellenberg sich lächelnd an Cunha: »Nun, Oberst, es scheint so, daß Sie heute abend auch Sturmbannführer Kleiber einlassen müssen.«
Als da Cunha in Jacksons Arbeitszimmer geführt wurde, saß der Amerikaner in seinem Arbeitsanzug - weißer Smoking, schwarze Fliege - am Schreibtisch.
Da Cunha schnupperte. »Unverkennbar Chanel Nr. 5. Sie können herauskommen, Senhorita, ich habe die Handschellen zu Haus gelassen.«
Er trat an den Barschrank und schenkte sich einen Scotch ein, während sie aus dem Waschraum kam. Jackson fragte: »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe einen Auftrag für Sie«, erwiderte da Cunha. »Das heißt, der Herzog hat einen Auftrag für Sie. Er will Schellenberg und Kleiber im Gartenhaus treffen. Die gleiche Zeit wie gestern abend, und er möchte, daß Sie noch einmal den Schutzengel spielen - auf der Mauer.«
»Sie wollen doch nicht sagen, daß er sich mit ihnen einigen will?« sagte Hanna. »Das kann er nicht machen. Es ist unmöglich.«
»Seien Sie nicht albern«, sagte Jackson zu ihr. »Wenn er das vorhat, warum sollte ich dann dabei sein?« Er schüttelte den Kopf. »An der Sache ist mehr dran - viel mehr.«
»Werden Sie es tun?« fragte da Cunha. »Sicher, ich werde dort sein.«
»Gut.« Der Portugiese leerte sein Glas. »Ich habe das Gefühl, uns steht ein interessanter Abend bevor. Hoffentlich sind wir morgen früh noch gesund und unversehrt, um über die Ereignisse plaudern zu können.« Er ging hinaus, und Hanna sagte: »Ich habe Angst, Joe, und ich verstehe es nicht. Ich bin ganz durcheinander. Was kann der Herzog im Sinn haben?«
Jackson ging zu den Flaschen und schenkte sich nach. »Vielleicht ist jetzt sein Kampfgeist erwacht.«
14
Jackson lag kurz nach halb zehn wieder auf der Mauer, ganz in Schwarz wie am Abend vorher, den Browning schußbereit in der Hand. Es war alles andere als gemütlich, aber es regnete wenigstens nicht. Nach einer Weile spazierte da Cunha unter ihm den Weg durch das Buschwerk entlang. Er vergewisserte sich, daß die Tür nicht verschlossen war, wartete dann. Kurz darauf erschien der Herzog. Er trug Abendkleidung und hatte sich zum Schutz gegen die kühle Nachtluft einen leichten Tweedmantel um die Schultern gehängt.
Er näherte sich dem Gartenhaus. »Sind Sie da, Mr. Jackson?« rief er mit gedämpfter Stimme.
»Ja, Sir«, antwortete Jackson ebenso leise.
Der Herzog nahm eine Havanna aus einem Lederetui und zündete sie, immer noch auf dem Weg stehend, an. Im selben Augenblick hörte Jackson auf der Straßenseite Schritte näher kommen. An der Tür wurde geklopft, da Cunha öffnete, und Schellenberg trat, gefolgt von Kleiber, in den Garten.
»Brigadeführer Schellenberg und Sturmbannführer Kleiber«, stellte da Cunha vor, um sich anschließend diskret ein Stück zu entfernen. »Ah, der Herr, der heute morgen in Rosario auf mich gewartet hat?« sagte der Herzog.
»Ein bedauerlicher Irrtum, Königliche Hoheit«, erklärte Schellenberg. »Und ein überflüssiger. Warum haben Sie vorher nicht ganz offen mit mir geredet? Doppelsinnige Bemerkungen, Herr Schellenberg, dunkle Andeutungen, das ist alles, was ich zu hören bekam. Was hat Ihre Regierung mir konkret zu bieten?«
»Sir, es ist allgemein bekannt, daß der Posten als Gouverneur der Bahamas nicht sehr interessant für Sie ist. Unter diesen Umständen ziehen Sie es vielleicht vor, in Europa zu bleiben. Zum Beispiel in Spanien, oder in der Schweiz. Ich bin ermächtigt, Ihnen zu sagen, daß man auf einer Genfer Bank eine Summe von fünfzig Millionen Schweizer Franken für Sie hinterlegen kann, falls Sie durch einen solchen Schritt in finanzielle Schwierigkeiten kommen sollten.«
»Unsinn, Schellenberg. Verdammter Unsinn. Ihr Führer hat in Spanien oder in der Schweiz keine Verwendung für mich. Er will mich in Deutschland haben, damit ich sofort parat bin, wenn die deutsche Wehrmacht in London einmarschiert. Ein
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