Königsklingen (First Law - Band 3)
die eigene Maske vors Gesicht und sah dann mit gerunzelter Stirn Ardee an, die verwirrt und erschöpft in einer Ecke des Lagerraums stand. »Was ist mit ihr?«
»Mit ihr? Sie ist natürlich eine Gefangene, Praktikal Cosca! Eine Spionin, die mit den Gurkhisen im Bunde steht. Seine Eminenz hat den Wunsch geäußert, sie persönlich zu befragen.« Ardee sah ihn blinzelnd an. »Es ist ganz leicht. Versuchen Sie, ein bisschen verängstigt auszusehen.«
Sie schluckte. »Das sollte kein Problem sein.«
Und nun gehen wir durchs Haus der Befragungen in der Absicht, den Erzlektor festzunehmen? Da haben wir uns was vorgenommen.
Glokta schnippte mit den Fingern. »Wir müssen aufbrechen.«
»Wir müssen aufbrechen«, sagte West. »Ist der Hafen wieder in unserer Hand? Wo, zur Hölle, ist Poulder?«
»Das scheint niemand zu wissen, Herr Marschall.« Brint versuchte, sein Pferd weiter anzutreiben, aber sie gerieten nun in einen dichten Pulk. Speere schwankten hin und her und kamen ihnen mit den Spitzen bedrohlich nahe. Soldaten fluchten. Korporale brüllten. Offiziere gackerten wie verärgerte Hühner. Um ein Heer von über tausend Mann voranzubewegen, konnte man sich kaum ein schwierigeres Terrain vorstellen als die engen Straßen am Hafen. Dazu kam, dass zudem noch ein Unheil verkündender Strom von Verwundeten, die teils selbst voranhumpelten, teils getragen wurden, in die entgegengesetzte Richtung drängte.
»Macht Platz für den Lord Marschall!«, brüllte Pike. »Der Lord Marschall!« Damit hob er das Schwert, als sei er bereit, mit der flachen Seite zuzuschlagen, und die Männer gingen ihm eilig aus dem Weg. Zwischen den klappernden Speeren tat sich allmählich eine Schneise auf. Ein Reiter kam aus der Mitte der Soldaten auf sie zu. Es war Jalenhorm, dessen Stirn eine blutige Wunde zierte.
»Alles in Ordnung?«
Der massige Mann grinste. »Kein Grund zur Sorge, Herr Marschall. Hab mir den Kopf an einem verdammten Balken gestoßen.«
»Fortschritte?«
»Wir drängen sie allmählich in den Westen der Stadt zurück. Kroys Reiterei ist bis zu den Vier Ecken vorgedrungen, soweit ich das sagen kann, aber die Gurkhisen haben immer noch den Agriont umstellt, und jetzt nehmen sie erneut Aufstellung und greifen selbst von Westen an. Viele von Kroys Fußtruppen werden auf den Straßen auf der anderen Seite des Flusses aufgehalten. Wenn wir dort nicht bald Verstärkung bekommen ...«
»Ich muss mit General Poulder sprechen«, unterbrach West ihn brüsk. »Wo steckt der verdammte Kerl? Brint?« »Herr Marschall?«
»Nehmen Sie ein paar dieser Leute und bringen Sie mir Poulder sofort hierher!« Sein Finger stach in die Luft. »Persönlich!«
»Jawohl, Herr Marschall!« Brint tat sein Bestes, sein Pferd in der Enge zu wenden.
»Was ist mit der Seeseite? Wie ist es Reutzer ergangen?«
»Soweit ich weiß, kämpft er gegen die gurkhisische Flotte, aber ich habe keine Ahnung ...« Der Geruch nach verdorbenem Salzwasser und brennendem Holz wurde stärker, als sie nahe dem Hafen aus dem Schatten der Gebäude traten. »Verdammte Scheiße.«
Dem hatte West nichts hinzuzufügen.
Das früher einmal so elegante Halbrund der Hafenanlagen Aduas bot einen Anblick der Verwüstung. Die Kais in ihrer Nähe waren geschwärzt, zerstört, mit kaputten Waffen, Rüstungsteilen und verdrehten Leichen gepflastert. Etwas weiter entfernt kämpften einige Gruppen von Männern in schlecht geordnetem Verbund. Stangenwaffen ragten aus dem Gewühl wie die Stacheln eines Igels, und die Luft dröhnte vor Lärm. Kriegswimpel der Union und Standarten der Gurkhisen flatterten wie Krähen in der leichten Brise. Die Scharmützel erstreckten sich beinahe über das ganze lange Ufer. Lagerhäuser standen in Flammen und ließen die Luft flimmern, und dadurch boten die vielen hundert Männer, die sich davor heftige Kämpfe lieferten, einen noch dramatischeren Anblick. Hohe Rauchsäulen, schwarz, grau, weiß, quollen aus den brennenden Gebäuden und trieben über die Bucht. Dort, im aufgewühlten Hafen, waren zahlreiche Schiffe in ihre eigene verzweifelte Schlacht verstrickt.
Unter vollen Segeln kreuzten sie hierhin und dorthin, wendeten, halsten, suchten neue Stellungen, und schimmernde Gischt schoss empor. Katapulte schleuderten Brandsätze gegen den Gegner, auf den Decks feuerten Bogenschützen brennende Salven ab, und in dem Spinnennetz der Takelung kletterten hoch oben die Seeleute herum. Andere Schiffe waren mit Seilen und Enterhaken zu unbeholfenen
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