Königsklingen (First Law - Band 3)
Friedensjahre gekommen, aber nun trat der Nachteil dieser Taktik deutlich zutage. Wenn man durch ein Wunder in die Lage gerät, den Oberbefehl führen zu müssen, dann bricht das ganze System zusammen.
»Aufstellung ...«, knurrte er, legte die Stirn in Falten und versuchte den Eindruck zu vermitteln, als ob er das Gelände genauestens auf seine Beschaffenheit überprüfte, obwohl er nur eine sehr verschwommene Vorstellung davon hatte, was das eigentlich bedeutete. »Die Infanterie in Zweierreihe ...«, fuhr er dann fort, als ihm der Bruchteil einer Geschichte wieder einfiel, die Collem West ihm einmal erzählt hatte. »Hier hinter diesem Gebüsch.« Gleichzeitig fuchtelte er mit dem Marschallsstab in die besagte Richtung. Zumindest der Einsatz dieses Stabes war ihm wohl vertraut, da er das ausgiebig vor dem Spiegel geübt hatte.
»Vor dem Gebüsch, wollte der Herr Oberst natürlich sagen«, warf Bayaz geschmeidig ein. »Die Infanterie sollte in doppelter Reihe auf beiden Seiten des Meilensteins dort drüben aufgestellt werden. Die leichte Kavallerie hier unter den Bäumen, die schwere Kavallerie an der äußersten Flanke, wo sie sich im offenen Feld den größten Vorteil verschaffen kann.« Er schien mit militärischer Taktik auf geradezu unheimliche Weise vertraut zu sein. »Die Flachbogen hinter dem Gebüsch, wo sie sich zunächst vor dem Feind verbergen und ihn aus der Höhe am besten beschießen können.« Er nickte Jezal zu. »Eine hervorragende Strategie, Herr Oberst, wenn ich das sagen darf.«
»Natürlich«, schnarrte Opker und wandte sich ab, um die entsprechenden Befehle zu geben.
Jezal hielt den Marschallsstab hinter dem Rücken und umklammerte ihn fest, während er sich mit der anderen Hand nervös über das Kinn strich. Befehle zu geben war offenbar doch nicht ganz so einfach und bedeutete mehr als nur die Tatsache, dass man von allen mit »Herr Oberst« tituliert wurde. Er würde tatsächlich einmal ein paar Bücher lesen müssen, wenn er nach Adua zurückkehrte. Wenn er das überhaupt je tat.
Drei kleine Punkte hatten sich aus der wimmelnden Menschenmenge unten im Tal gelöst und hielten auf die Anhöhe zu, auf der sie standen. Jezal beschattete die Augen mit einer Hand und konnte einen weißen Fetzen erkennen, der in der Luft über ihnen flatterte. Eine Parlamentärsflagge. Nun spürte er auch noch Bayaz’ ausgesprochen beunruhigende Hand auf seiner Schulter.
»Keine Sorge, mein Junge, wir sind gut auf etwaige Gewalttaten vorbereitet. Aber ich bin zuversichtlich, dass es gar nicht dazu kommen wird.« Er grinste auf die ausufernde Menschenmenge hinunter. »Sehr zuversichtlich.«
Jezal wünschte sich von ganzem Herzen, er hätte von sich dasselbe sagen können.
Dafür, dass er ein berühmter Aufrührer, Verräter und Hetzredner war, wirkte der Mann, den sie den Gerber nannten, erstaunlich unauffällig. Er saß ruhig auf seinem Klappstuhl am Tisch in Jezals Zelt, das gewöhnliche Gesicht von einem lockigen Haarschopf gekrönt, ein Mann von mittlerem Wuchs in einem Mantel von höchst gewöhnlicher Farbe und einfachem Schnitt; das Lächeln in seinem Gesicht ließ erkennen, dass er nur zu gut wusste, dass er alle Trümpfe in der Hand hielt.
»Man nennt mich den Gerber«, sagte er, »und ich wurde dazu ernannt, für den Verbund der Unterdrückten, der Ausgebeuteten und Unterworfenen dort im Tal zu sprechen. Dies hier sind zwei meiner Partner in diesem rechtschaffenen und gänzlich patriotischen Unterfangen. Meine beiden Generäle, könnte man sagen. Gutmann Kapp«, er nickte zu einem kräftigen Mann zu seiner Rechten hin, dessen gerötetes Gesicht von einem Bart wie eine Schaufel eingerahmt wurde und das Wut und Zorn verriet, »und Splint Holst.« Dabei machte er eine Kopfbewegung in die andere Richtung, hin zu einem wieselähnlichen Kerl mit langer Narbe über der Wange und einem schwachsichtigen Auge.
»Ich fühle mich geehrt«, erwiderte Jezal wachsam, da ihm die beiden mehr wie Räuber denn wie Generäle vorkamen. »Ich bin Oberst Luthar.«
»Ich weiß. Ich habe gesehen, wie Sie beim Turnier gewannen. Hervorragende Fechtkunst, mein Freund, hervorragend.«
»Oh, nun ja, äh ...« Jezal war ein wenig überrumpelt. »Vielen Dank. Das ist mein Adjutant, Major Opker, und dies ist ... Bayaz, der Erste der Magi.«
Gutmann Kapp schnaubte ungläubig, aber der Gerber strich sich lediglich nachdenklich über die Unterlippe. »Gut. Und sind Sie nun gekommen, um zu kämpfen oder um zu
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