Köpfe für Carlita
wieder umwarf.
Es war die Enttäuschung gewesen. Ich fluchte innerlich, aber wie hätte ich damit rechnen sollen, daß dieser Kollege auf die andere Seite wechselte?
Dafür mußte es einen Grund geben, und ich dachte daran, daß es dabei einzig und allein um meine Person ging. Nur wußte ich nicht, wo ich die Verbindung suchen sollte.
Es war für mich auch zu schwer, den Gedanken nachzugehen, denn die äußeren Einflüsse waren noch längst nicht vorbei. Die Schmerzen peinigten mich; sie hörten einfach nicht auf.
Aber ich erlebte auch eine andere Reaktion. Unter mir spürte ich den Widerstand. Ich schwebte nicht mehr, und ich merkte, daß meine Augenlider zuckten.
Auch hörte ich etwas. Zwar kamen mir die Ohren vor wie mit Schaumstoff umwickelt, und der Druck in meinem Kopf wich ebenfalls um keinen Millimeter, aber die Stimmen bildete ich mir trotzdem nicht ein. Sie umgaben mich, und ich war sogar in der Lage, sie zu unterscheiden. Da sprach zum einen eine Frau und zum anderen ein Mann, und genau das erinnerte mich wieder an Carlita und meinen Kollegen Sahnas.
Sie waren die Feinde!
Die Schmerzen blieben. Sie verteilten sich in meinem Kopf sogar ziemlich gleichmäßig, aber dieses Aufsteigen aus den unergründlichen Tiefen der Bewußtlosigkeit war vorbei.
Ich war wieder da, wenn auch stark geschwächt, aber ich konnte mich auf mich, meinen Körper und meinen Zustand konzentrieren.
Ich hatte vor, meine Augen zu öffnen, auch wenn ein gehöriger Druck auf den Lidern lag, nur sollte es dazu nicht mehr kommen, denn es passierte etwas anderes. Ich hörte eine wütend klingende Frauenstimme etwas sagen. Es kam einem Befehl gleich. Diese spanischen Brocken verstand ich nicht, sie waren einfach zu schnell gesprochen worden.
Dann bekam ich den Tritt.
Der verdammte Schuh erwischte mich am Oberschenkel. Ob ich wollte oder nicht, ich zuckte einfach zusammen. Es war ein Reflex, den ich nicht hatte lenken können. Der Schmerz war schon spür- und hörbar, denn ich hörte, wie sich ein gequälter Laut von meinen Lippen löste.
»Der Hund ist doch wach!«
Jetzt hatte ich die Stimme erkannt. Sie gehörte natürlich dem Kollegen Sahnas.
Um ihm zu zeigen, daß er recht hatte, aber auch, um einem zweiten Tritt zu entgehen, stöhnte ich auf und hörte sofort danach das kalt klingende Lachen.
»Du hattest recht, Antonio.«
»Habe ich doch immer. Ich kenne meine Schläge und auch meine Kollegen. Die können einstecken.«
»Und jetzt?«
»Wir warten noch ab.«
Lange brauchten sie das nicht, denn ich öffnete zum erstenmal die Augen. Es fiel mir noch immer nicht leicht, aber ich blieb dabei, und intervallweise schälte sich meine Umgebung hervor, in die man mich geschleppt hatte. Sie hatte mit der letzten, an die ich mich erinnern konnte, nichts mehr zu tun. Hier schien keine Sonne, hier schimmerte auch nicht das Wasser eines Pools, hier nahm ich nicht den Duft der Blüten und Blumen wahr, hier war alles anders – das genaue Gegenteil.
Eine düstere Umgebung, aber nicht völlig dunkel, sondern von einem rötlichen Licht durchweht. Das war keine elektrische Quelle, die dieses sich bewegende Licht abgab, sondern eine sehr altertümliche, denn ich nahm auch den bestimmten Geruch einer Pechfackel wahr. Er drang in meine Nase, aber in ihn mischte sich zugleich ein anderer.
Ich kannte ihn, ich mochte ihn nicht, aber ich wußte, daß er beinahe zu meinem Beruf gehörte.
Es war der Geruch von Grab und Verwesung. Als läge ich in der Nähe irgendwelcher Kadaver, die diesen widerlichen Gestank abgaben.
Ich spürte ihn nicht nur auf der Zunge und im Hals, sondern auch im Magen, wo sich allmählich ein Gefühl des Ekels ausbreitete, gegen daß ich nur mühsam ankämpfte und mich wunderte, daß ich mich noch nicht übergeben mußte.
Vielleicht lag es auch daran, daß ich abgelenkt wurde, denn zum erstenmal nahm ich auch optisch meine Umgebung wahr und sah, wer da in meiner Nähe stand.
Eine Frau und ein Mann.
Carlita Moreno auf der einen und mein Hundesohn von Kollege auf der anderen Seite, der mich sogar mit meiner eigenen Beretta bedrohte. Die Mündung wies schräg nach unten, genau auf meine Brust. Er interessierte mich nicht. Ich versuchte mit aller Macht, mich auf Carlita Moreno zu konzentrieren, die ebenfalls auf mich niederschaute und mir vorkam wie eine Königin und Siegerin. Sie hatte sich breitbeinig vor mich hingestellt. Ich war das Opfer.
Sie hatte sich verändert, und plötzlich durchfuhr mich ein Schreck. Es war
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