Kohärenz 03 - Time*Out
brach Unruhe aus. Zwei Security-Leute führten den Präsidenten weg, der das widerstandslos mit sich geschehen ließ. Ein Mann in Uniform bat die Menge darum, Ruhe zu bewahren, man wisse nicht, was los sei, aber ein Arzt sei schon unterwegs.
Damit endete der Einspieler. Der Moderator las eine Meldung vom Blatt. »Chuck Brakeman, der Stabschef des Weißen Hauses, sowie sieben weitere Mitarbeiter zeigen dieselben Symptome«, übersetzte Guy.
»Dann betrifft es nicht nur die Lifehooks«, sagte Christopher. »Brakeman war ein Upgrader. Und die Kohärenz hat dem Präsidenten auch einen vollen Chip eingepflanzt, sonst hätten sie ihn nicht isolieren müssen. Es betrifft die gesamte Kohärenz.«
»Was ist eigentlich mit dem Feld?«, fiel Serenity ein. »Ist das noch da?«
Christopher nickte. »Unverändert.«
Guy kratzte sich an der Nase. »Was meinst du denn, was passiert ist? Hat die Kohärenz einen Hirnschlag?«
»So was in der Art.« Noch während er das sagte, verfiel Christopher in jene Art des Nachdenkens, die einem das Gefühl vermittelte, gerade ausgeblendet und vergessen worden zu sein, zusammen mit der übrigen Welt. Die Art Nachdenken, die sich anfühlte, als stünde man neben einem Schwarzen Loch.
»Vielleicht hat sich die Kohärenz übernommen«, erklärte Christopher schließlich, als er sich wieder in diese Welt einloggte.
Guy hob die Brauen. »Und das heißt?«
»Mein Vater hat mir oft von den alten Computern und ihren Macken erzählt. An der Uni, an der er Informatik studiert hat, gab es für die Anfänger nur eine uralte Kiste – eine PDP-11, glaube ich. Damals gab es nur Terminals, die an einen Zentralcomputer angeschlossen wurden und selber nichts weiter konnten, als Text anzuzeigen und zu erfassen. Und natürlich hatten sie viel zu viele von denen drangehängt, sechzig Stück oder so. Was normalerweise kein Problem war, weil nie alle Studenten gleichzeitig arbeiteten, aber manchmal waren eben doch zu viele da, und dann kam alles zum Stillstand. Man drückte eine Taste, und es dauerte eine Minute, bis der Buchstabe am Schirm auftauchte, oder noch länger. Irgendwann tat sich überhaupt nichts mehr, egal, wie lange man wartete.«
Serenity kam zu Bewusstsein, dass sie immer noch die Einkaufstasche in der Hand hielt. Sie setzte sie ab. Über ihnen kreisten Möwen, von denen ein paar landeten, sich aber nicht näher trauten.
»Es hat sich herausgestellt, dass die magische Grenze bei fünfunddreißig Benutzern lag. Mit so vielen Benutzern lief das System rund. Der sechsunddreißigste Benutzer, der sich anmeldete, legte alles lahm.«
»Und warum?«, fragte Serenity. Sie verstand immer noch nicht, worauf Christopher hinauswollte.
»Weil es ein Timesharing-System war. Bei so einem System arbeitet der Prozessor alle Anfragen reihum ab, immer scheibchenweise. Alle Operationen kommen in eine Warteschleife und kriegen eine Priorität zugeordnet, die bestimmt, wann sie drankommen. Das geht normalerweise so schnell, dass man als Benutzer das Gefühl hat, man hat den Computer für sich alleine. Doch wenn zu viele User angemeldet sind, ist der Rechner nur noch damit beschäftigt, all die Anfragen einzusortieren und ihnen Prioritäten zuzuweisen. Er sagt sozusagen ringsum allen nur: ›Ich kann gerade nicht, bitte Geduld‹, verbraucht dabei aber seine gesamte Kapazität, sodass er nicht mehr dazu kommt, die eigentliche Arbeit zu tun.«
»Das heißt, man muss ein Terminal abschalten«, mutmaßte Serenity.
»Das nützt nichts. Der Prozess eines Users wird dadurch nicht beendet. Man müsste einen User ausloggen – genau das geht aber nicht, weil das System auf Eingaben nicht mehr reagiert.«
Guy kniff skeptisch die Augen zusammen. »Du meinst, die Kohärenz hat so viele Leute aufgenommen, dass sie darunter zusammengebrochen ist?«
»Ja. Vielleicht gibt es eine Art natürliche Grenze, wie viele Gehirne man in der Art miteinander verbinden kann, wie es die Kohärenz getan hat.«
Guy ächzte. »Das wäre ja der Hammer«, sagte er. »Wer hätte denn mit so was gerechnet?«
Serenity starrte die beiden fassungslos an. Auf einmal kam sie sich blöd vor, wie sie hier stand mit ihrer Einkaufstasche zwischen den Füßen. »Was heißt das?«, fragte sie. »Dass die Kohärenz sich selber erledigt hat? Dass wir uns die ganze Zeit völlig unnötig Sorgen gemacht haben?«
Christopher hob die Schultern. »Kommt mir ein bisschen zu optimistisch vor. Aber eine andere Erklärung hab ich nicht. Im Moment
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