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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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auf die Lippen, zögerte, dann fragte sie rundheraus: »Du bist in Gedanken woanders, oder?«
    Christopher sah sie überrascht an, blinzelte. »Ja«, gab er zu. »Irgendwie schon.« Sein Blick wanderte davon. »Ich denke gerade darüber nach, ob es wirklich Zufall ist, wer einem so begegnet im Leben. Wen man trifft unter all den Millionen von Menschen, die man treffen könnte. Ist das nur Zufall, oder gibt es womöglich doch so etwas wie Schicksal?«
    Serenity sah ihn konsterniert an. So hatte sie Christopher noch nie reden hören. Schicksal? Begegnungen? Bisher hatte sie nicht den Eindruck gehabt, dass Christopher sich sonderlich viele Gedanken über Begegnungen mit anderen machte oder darüber, was solche Begegnungen möglicherweise zu bedeuten hatten.
    Mit einem Mal fühlte sie ihr Herz sinken. Ihrer Erfahrung nach redeten Jungs nur dann von Schicksal und dergleichen, wenn sie zu feige waren, einem direkt zu sagen, was Sache war.
    Wie war das denn gewesen, als Madonna und ihr Bruder George Hide-Out verlassen hatten? Damals schien es klar gewesen zu sein, dass Christopher nicht in Madonna Two Eagles verliebt war. Was er natürlich nicht direkt ausgesprochen hatte. Aber zwischen den Zeilen hatte er es gesagt. Angedeutet. Oder wenigstens war es ihr so vorgekommen.
    Und wenn sie sich geirrt hatte? Sie konnte es ja auch nur zu gut verstehen, wenn Christopher sich in ihre Freundin verliebt hatte – denn Madonna war einfach ... na, Madonna halt und sie nur Serenity, das Mädchen mit den unmöglichen Haaren, den grässlichen Sommersprossen und den schrecklichen Eltern.
    War doch okay. War doch einleuchtend. Sie musste es einfach nur akzeptieren.
    »Na dann«, brachte sie mühsam hervor. »Ich muss dann mal wieder.« Sie schaute auf ihre Armbanduhr. »Küchendienst.« Was gelogen war, aber egal.
    »Okay«, sagte Christopher. »Verstehe. Dann sieht man sich.«
    »Ja«, sagte Serenity mühsam. »Genau.«
    Dann machte sie, dass sie davonkam.

17

    Am Mittwochabend, den achten Juni, drängten sich alle in der Küche. Niemand fehlte. Sie saßen im Halbkreis vor der Leinwand, auf der sonst eher Spielfilme aus der umfangreichen Videothek von Hide-Out liefen. Jetzt aber war ein Fernsehkanal eingestellt – die Antenne dafür stand gut getarnt auf dem Berg über der Mine.
    »Die nachfolgende Sendung wird über alle großen Fernsehkanäle ausgestrahlt, ferner über Satellit und per Livestream«, verkündete eine dezente Frauenstimme, während man nur das FriendWeb-Logo sah. »Wir senden live aus dem Huxley-Auditorium in Silicon Valley, San Francisco.«
    Das Logo verschwand, und die Kamera glitt über einen Saal voller Leute, die frenetisch Beifall klatschten. Dieser galt einem schlaksigen jungen Mann, der in diesem Moment die weitläufige, sparsam dekorierte Bühne betrat. Es war ebenjener John B. Salzman, dessen Konterfei all die Plakate, Reklameaufkleber und Werbebanner zierte, die behauptet hatten, Internet war gestern. Genau dieser Satz prangte auch auf der großen Projektionsfläche hinter der Bühne – und sonst nichts.
    John Salzman trug Jeans, ein blaues T-Shirt und Turnschuhe. Es war allgemein bekannt, dass er sechsundzwanzig Jahre alt war und Milliardär. Aber er sah aus wie ein harmloser Student.
    »Hi«, sagte er einfach, als der Beifall verebbt war. Er trug ein dezentes Headset und machte keine übertriebenen Gesten. »Im FriendWeb wie im Internet geht es vor allem um eines: um Kommunikation. Kommunikation, die immer schneller, einfacher und umfassender wird.«
    Er trat an einen Tisch, auf dem allerlei Gegenstände angeordnet waren. Nun, in der Nahaufnahme, die auch hinter ihm auf die riesige Leinwand projiziert wurde, sah man, worum es sich dabei handelte. Der erste Gegenstand, den Salzman in die Kamera hielt, war ein alt aussehender Briefumschlag mit bunten, abgestempelten Briefmarken. »Ein Brief – auf diese Weise haben unsere Urgroßeltern kommuniziert. Ein Brief war langsam, umständlich und hat in der Regel nur genau einen Adressaten erreicht.«
    Daneben stand ein Käfig, in dem eine Taube unruhig hin und her wackelte. »Die Brieftaube war etwas schneller, aber dafür noch umständlicher, was das Interface anbelangt.«
    Ein Morsetaster. »Samuel Morse hat die Kommunikation beschleunigt, aber einfach war sie deswegen immer noch nicht.«
    Ein schweres, altes Telefon aus schwarzem Bakelit. »Einfach wurde es erst hiermit.« Salzman zog ein modernes Mobiltelefon aus der Tasche und hielt es daneben. »Und damit

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