Kohärenz 03 - Time*Out
ihn irgendwelche Lifehook-Junkies gnädig in ihrer Gruppe duldeten !
Und sich so ein Ding in den Kopf schrauben lassen, würde er erst recht nicht. Schon bei der bloßen Vorstellung schüttelte es ihn.
Nein, er brauchte die anderen nicht. Er würde dies zum Anlass nehmen, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Auf Dinge, die ihm wichtig waren.
Weil es total uncool und so ziemlich das genaue Gegenteil von angesagt war, hatte Brad bislang noch niemandem davon erzählt: Aber aus Gründen, die ihm selber nicht klar waren, hegte er, seit er dessen Zeichnungen zum ersten Mal gesehen hatte, eine unstillbare Leidenschaft für die Werke eines Künstlers namens Antonio Solitar. Das war ein Maler, den fast niemand kannte, dessen Name in keinem Lexikon stand und dessen Bilder auch noch nie größeres Aufsehen erregt hatten. Brad wusste über den Mann nur, dass er aus Spanien stammte, als Kind nach Kanada gekommen war und irgendwo in der Nähe von Toronto lebte – und dass er grundsätzlich nur mit Bleistift zeichnete, ausschließlich Ansichten von Städten und Industriegebieten.
Das aber auf eine Weise, die Brad immer wieder umhaute.
Brad war zwölf gewesen, als er in einer Zeitung eine Zeichnung gesehen hatte, die er einfach hatte ausschneiden und aufbewahren müssen, weil er sich an ihr nicht sattsehen konnte. Den Namen des Zeichners hatte er eher nebenbei wahrgenommen; bewusst registriert hatte er ihn erst ein paar Jahre später. Damals war er in einer Buchhandlung auf einen schmalen Bildband mit Zeichnungen von Antonio Solitar gestoßen, der schweineteuer gewesen war und den er sich trotzdem sofort gekauft hatte. Mit sechzehn schließlich hatte Brad – völlig irre, fand er immer noch – ein echtes Bild von Solitar erworben, per Internet direkt über dessen Website, die von einer Galerie in Toronto betrieben wurde. Es war eine schlichte Zeichnung, die seither gerahmt über seinem Schreibtisch an der Wand hing. Sie zeigte nur eine Straße und einen einzelnen Baum am Straßenrand, aber das so meisterlich, dass das Bild Brad einfach sprachlos machte. Die Straße war menschenleer, der Baum verkümmert und Nebel senkte sich auf die Szenerie herab: Das Bild strahlte eine solche Einsamkeit, eine solche Sehnsucht nach Gemeinschaft aus, dass es einem richtiggehend wehtun konnte, vor allem in Brads derzeitiger Situation.
Uncool, wie gesagt. Aber mal völlig.
Doch Brads allerpersönlichstes Geheimnis war, dass er vor ein paar Jahren angefangen hatte, selber zu zeichnen. Klar war das gesponnen, aber es drängte ihn richtiggehend dazu.
Er spürte das Verlangen, auch so zeichnen zu können, ebenfalls Bilder zu schaffen, die bei demjenigen, der sie betrachtete, derart starke Gefühle auslösen konnten.
Es kostete ja nicht viel, es zu versuchen. Ein Block Zeichenpapier, ein Set Bleistifte in verschiedenen Dicken und Härten, und man war dabei.
Allerdings war Brads Bewunderung für die Kunst Antonio Solitars nur noch gestiegen, seit er sich selber darin versuchte.
Immerhin, Perspektiven kriegte er mittlerweile einigermaßen hin. Aber die Details! Allein, sie zu sehen, war eine Kunst für sich. Und sie, wenn man sie denn sah, auch wenigstens ungefähr hinzubekommen, das erschien Brad an manchen Tagen schlichtweg unmöglich. Mehr als einmal hatte er Block und Bleistift in die hinterste Ecke seines Schranks geworfen und sich geschworen, sie nie wieder anzurühren.
Jetzt, da er wenig hatte, das ihn davon ablenken konnte, fuhr er eben alleine herum, suchte Stellen mit interessanten Blicken und zeichnete stundenlang. Und es kam ihm vor, als mache er doch, ganz allmählich, gewisse Fortschritte. Nicht, dass seine Bilder schon gut gewesen wären. Aber immerhin besser.
Womöglich, ging es Brad bei einem dieser Ausflüge durch den Kopf, hatte es ja tatsächlich etwas mit Erwachsenwerden zu tun, sich dem, was alle Übrigen taten, auch mal zu verweigern?
Doch ganz in Vergessenheit schien er noch nicht geraten zu sein. Jedenfalls rief ihn Pete eines Tages an, um ihn zu einem Barbecue einzuladen, das er am vierten Juli veranstalten wollte. »Was bekanntlich mein Geburtstag ist«, fügte er so stolz hinzu, als habe man den Tag seinetwegen zum Nationalfeiertag erklärt. »Independence Day! Du kommst, oder?«
Brad zögerte. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Ehrlich gesagt fühle ich mich in letzter Zeit ziemlich ausgeschlossen, wenn Ihr Lifehookies unter euch seid.«
»Echt?« Pete schien aufrichtig verblüfft.
»Sorry«,
Weitere Kostenlose Bücher