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Kohl, Walter

Kohl, Walter

Titel: Kohl, Walter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leben oder gelebt werden
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Baggerweihern hinter der
Marbacher Straße befand, keine 500 Meter von zu Hause entfernt.
    Mutter
konnte überhaupt nichts mit Fußball anfangen. Sie war von meinem Vorhaben nicht
gerade begeistert, hatte aber auch keine Gegenargumente und ließ mich einfach
machen. Einfach verbieten, ganz ohne triftigen Grund, wollte sie es mir
jedenfalls nicht. Vater wurde in die Entscheidung nicht mit einbezogen, er
kümmerte sich um diese Dinge nicht.
    So nahm
ich all meinen Mut zusammen und meine Fußballerkarriere ganz in die eigene
Hand. Von den anderen Straßenkickern wusste ich, dass man sich beim Wirt der
Vereinskneipe für die Jugendmannschaften anmelden musste. Also nichts wie hin
und rein in die gute Stube! Es war früher Abend, der Laden schon gerappelt
voll. Ein buntes Treiben empfing mich. Kinder im Fußballdress waren gerade
angetreten, ich erkannte gleich einige, mit denen ich nachmittags schon öfter
gekickt hatte. Offenbar stand ein Jugendspiel unmittelbar bevor, denn ein
Schiedsrichter in schwarzem Dress blätterte in einer Mappe mit Spielerpässen.
Er rief die Namen der Kinder einen nach dem anderen auf, und jedes Mal hob das
betreffende Kind die Hand, wie in der Schule, und rief klar und vernehmlich
»Hier!«
    Wie
aufregend! Ich blickte mich um. Hinter der Theke stand der Mann, den ich
sogleich als meinen Ansprechpartner erkannte, denn er zapfte das Bier. Keiner
schien mich bisher zu beachten. Schon stand ich vor ihm und trug mit deutlicher
Stimme mein Anliegen vor.
    »Ich
spiele gern Fußball und möchte in Ihren Verein eintreten.«
    Der Mann
hinterm Tresen schaute mich freundlich an.
    »Dann
musst du einen Moment warten, bis ich hier fertig gezapft habe. Ich hole dir
gleich ein Antragsformular. Das müssen deine Eltern ausfüllen und
unterschreiben. Dann bringst du es mir zurück, und wir nehmen dich auf.«
    Doch es
kam gar nicht so weit. Wenige Sekunden später erscholl eine laute Stimme, die
alles andere übertönte. Sie kam vom hinteren Teil des Gastraumes her, wo unter
einer dichten Wolke aus Tabaksdunst der Stammtisch hockte.
»Das gibt's doch nicht. Der Bankert vom Kohl!«
    Schlagartig
änderte sich das Klima im Raum. Der Schiri hielt in der Verlesung der
Spielernamen inne. Der Trainer, bisher am Tisch direkt neben mir mit dem
Ausfüllen des Spielberichtsbogens beschäftigt, legte den Kugelschreiber weg.
Binnen weniger Sekunden verebbte unter den Kindern sogar das nervöse Klackern
der Stollen auf dem Linoleumboden. Und alle Blicke richteten sich auf mich.
    Mir fiel
das Herz in die Hose. Ganz tief innen drin wusste ich bereits, was jetzt kommen
würde.
    Der Wirt
und Vereinsfunktionär schaute mir irritiert ins Gesicht. Dann beugte er sich zu
mir vor und fragte mich mit gedehnter Stimme:
»Stimmt das ...?«
    Ich stand
eingeschüchtert da und nickte stumm. Wollte nur noch den Rückzug antreten und
wandte mich zur Tür. Weit kam ich aber nicht. Einer vom Stammtisch war
aufgestanden und schnitt mir den Weg ab. Mir wurde heiß und kalt.
»Du Drecksbankert!«
    Blanker
Hass schlug mir entgegen. Der Mann hielt eine Bierflasche in der Hand. Er nahm
sie beim Hals und schlug sie mit voller Wucht an der Kante des Tresens ab, sodass
das Bier nur so spritzte.
    »Drecksbankert!«,
brüllte er wieder und wieder und näherte sich mir. Ich stand nur da, erstarrt
und stumm, und niemand half mir. Als er mir mit dem Glaszacken direkt vor dem
Gesicht herumfuchtelte, platzte bei mir der innere Knoten. Die Bedrohung muss
mir so viel Adrenalin in die Adern gepumpt haben, dass ich von einer Sekunde
auf die andere das einzig Richtige tat: abzuhauen, wie ein geölter Blitz.
Höhnisches Gelächter hallte mir nach bis auf die Straße. Ich rannte, so schnell
ich konnte, den ganzen Weg bis nach Hause.
    Ausgepumpt
und atemlos, noch voller Entsetzen, berichtete ich meiner Mutter. Sie hörte mir
zu, blickte mich nachdenklich an und strich mir beruhigend über die Haare.
Ihre Schlussfolgerung aber machte mich perplex.
»Siehst du, Fußball ist eben doch nicht das Richtige für
dich.«
    Ja, meine
Mutter schien sogar ganz zufrieden mit dem Resultat dieses für mich ebenso
fürchterlichen wie beschämenden Erlebnisses! Und mein Vater? Am Wochenende
darauf wollte ich ihm die Geschichte erzählen, auch weil ich endlich eine
Erklärung von ihm haben wollte, warum die Leute mich seinetwegen so hassten.
Die gab er mir auch. Allerdings wartete er gar nicht ab, bis ich zu Ende
erzählt hatte, und er blickte auch nicht wirklich von seiner Wochenpost

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