Kokoschanskys Freitag
Jagdtrophäen, auch ein riesiger Bärenkopf ist darunter, alte Stiche und Gemälde in unterschiedlichen Größen mit Jagdsze nen und aus verschiedenen Epochen. Doch nirgends ist der geringste Hin weis auf Nazisymbolik zu sehen. Truhen, bemalte Bauernschränke, durchfressen vom Holzwurm. Einige Ritterrüstungen, Schilder und gekreuzte Schwerter ergänzen die Ausstattung dieses überladenen Flurs.
Rocco deutet mit dem Daumen noch oben, wo Stimmengewirr zu hören ist.
Kokoschansky bleibt ruckartig stehen „Stopp! Hört ihr das?“
„Was?“, fragt Rocco leise und lauscht ebenso angestrengt wie die ande ren. Kein Zweifel, das ist das Weinen eines Kindes. Jetzt gibt es für Kokoschan sky kein Halten mehr.
„Freitag und du“, er zeigt auf einen weiteren schwarzen Mann und fühlt sich dabei in der Rolle eines Kommandanten überhaupt nicht wohl, „ihr kommt mit mir. Rocco bleibt bei den anderen. Wir sehen mal nach.“
Wenn das jetzt eintritt, was ich vermute, denkt Kokoschansky, dann verstehe ich gar nichts mehr. Eine kleine Treppe führt ins Untergeschoss mit Kellerräumlichkeiten. Langsam arbeitet er sich mit seinen Kumpanen abwärts. Sie hören jemanden vergnügt eine Melodie pfeifen, während das Weinen etwas schwächer geworden ist.
„Da haben wir es wohl mit einer Frohnatur zu tun“, flüstert Freitag Kokoschansky ins Ohr.
„Auch noch den Badenweiler, Hitlers Lieblingsmarsch!“
Jetzt sind eindeutige Geräusche zu hören, jemand pinkelt. Koko schansky hält die Pistole fest mit beiden Händen umklammert, lauert neben der Toilettentür. Anscheinend wurde die Abwärtstreppe von dem unbekannten Stoßtrupp übersehen und der Pinkler da drin weiß gar nicht, was ein paar Meter über ihm vor sich geht. Die Spülung wird betätigt, Wasserrauschen. Kokoschanskys Nerven sind zum Zerreißen angespannt. Die beiden Schwarzen stehen auf der einen, er auf der anderen Seite der Tür. Das Kinderweinen wird wieder eine Spur lauter. Endlich wird die Klinke betätigt und Kokoschansk y presst blitzschnell dem Unbekannten den Lauf der Waffe an den Kopf.
„Kein Laut, Freundchen. Wo ist das Kind?“
Mit weit aufgerissenen Augen starrt der Überrumpelte Kokoschansky überrascht an und sein Erstaunen weicht blankem Entsetzen, als er die beide n Schwarzen sieht. Sein Kinn klappt herunter und er beginnt vor Angst zu bibbern.
Kokoschansky drückt ihm die Pistole genau unter die Nase. „Benutz deinen Suppenschlitz zum Reden. Wo ist das Kind?“
„Da“, stammelt er, „zweite Tür rechts.“
„Wehe, du verarscht uns. Ist noch ein anderer drin? Oder nur das Kind? “
„Nur das Mädchen.“
„Tut mir leid. Ist sonst nicht meine Art.“ Kokoschanskys Hieb mit der Waffe gegen die Stirn ist kurz, kräftig und äußerst wirksam. Sein Opfer kippt einfach um und knallt zu Boden. „Eigentlich tut es mir überhaupt nich t leid“, korrigiert sich Koko.
„Bruder“, ordnet Freitag an, „du kümmerst dich um den. Mach ein hüb sches Paket aus ihm und sorge dafür, dass er nicht einmal mehr Piep sagen kann, wenn er wieder munter wird.“ Dann wendet er sich Kokoschansky zu. „Denkst du, was ich denke? ... Franziska?“
„Los, weiter“, drängt der Journalist.
Kaum in dem Raum, stürzt Kokoschansky auf das Bett zu, auf dem Franziska sitzt und kniet sich daneben. Ein paar abgegriffene Bilderbücher liegen herum, einige in die Jahre gekommene Barbiepuppen, mehr nicht. Er nimmt Franziska in den Arm, drückt sie fest an sich, überschüttet sie mit Küssen, während ihm selbst die Tränen über die Wangen laufen.
„Wo ist meine Mama?
„Ich finde deine Mama, versprochen. Sie ist gleich bei dir. Nur noch ein bisschen warten. Kennst du mich noch?“
„Du bist der Koko.“
„Genau. Bist du gesund?“
„Ja. Und der böse Mann kommt nicht mehr?“
„Nein, Franziska, nie mehr. Und den Mann, den kennst du auch.“ Er deutet auf Freitag, der sich dezent im Hintergrund gehalten hat.
„Der ist immer so lustig.“
„Richtig, Franziska.“ Kokoschansky streicht ihr durch die Haare. „Pas s auf, da kommt jetzt noch ein Mann, der ist aber noch viel lustiger und der bleibt bei dir, damit dir niemand mehr etwas Böses tun kann.“
„Wo geht ihr hin?“
„Na, deine Mama holen!“
„Au ja!“
***
Zwei Männer in Zivil, mit geschwärzten Gesichtern und MPs im Anschla g sichern den Eingang zur Stube, wo mit gotischen Lettern über dem Türstoc k und reichlich verziert Meine Ehre heißt Treue gemalt ist. Plötzlich
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