Kokoschanskys Freitag
Hand. Oder du musst mich ebenfalls erschießen?“ Langsam streckt er seinen Arm aus, umfasst die Pistole am Lauf. Sonja lässt los, er gibt die Waffe Lansky, legt ihr die Decke wieder um ihren Körper, hält sie fest und sie fängt hemmungslos zu schluchzen an.
„Bringt die Frauen raus und kümmert euch um sie“, befiehlt Lansky. „Und versorgt auch diesen Scheißkerl“, dabei zeigt er auf Ritzler.
Kokoschanskys schwarze Freunde sind längst in der Stube versammelt. Großes Erstaunen auf allen Seiten, keiner weiß, was hier tatsächlich gespielt wird und wie die Rollen verteilt sind.
„Puuuh“, schnauft Kokoschansky und wendet sich Lansky zu. „Was machst du eigentlich hier?“
„Lange Geschichte. Das Gleiche will ich auch von dir wissen.“
„Noch längere Geschichte ...“
„Dafür haben wir jetzt keine Zeit, aber wir werden sie uns demnächst gegenseitig erzählen.“
Erst jetzt entdeckt Kokoschansky Xaver Eigruber und seine Getreuen, die mit aschfahlen Gesichtern, die Hände im Nacken verschränkt und vo n Lanskys Leuten bewacht, in der Stube stehen. Von Minute zu Minute wird ihnen ihr verrückter Machtwahnsinn deutlicher, ein Viertes Reich durch einen Umsturz herbeizuführen, war von Beginn an zum Scheitern verurteilt und ist nun endgültig wie eine Seifenblase zerplatzt. Nur einer will und kann es mit seinem kranken Gehirn noch immer nicht begreifen, Eigruber selbst.
„Und wenn noch so viel von euch auftauchen, ihr seid chancenlos! Selbst, wenn ich, der Führer, den Heldentod sterbe“, brüllt er, „die national sozialistische Idee wird niemals untergehen!“
Kokoschansky, inzwischen wieder völlig bei Sinnen und unter Kontrolle, räuspert sich und spuckt ihm ins Gesicht. „Genau so sehen Führer aus.“
Plötzlich wird die Stube taghell erleuchtet. Hubschrauber kreisen über dem Gutshof, die peitschenden Rotoren überdecken jedes Geräusch. Dann zersplittern die Fensterscheiben. Schwerbewaffnete Cobra-Männer haben sich von den Hubschraubern abgeseilt, springen in die Stube, halten alle in Schach. Zeitgleich stürmen weitere Polizisten dieser Spezialeinheit durch die Tür und kesseln alle ein.
„Waffen weg! Hinlegen! Alle auf den Bauch! Keiner bewegt sich!“
Aus den Augenwinkeln sieht Kokoschansky, dass immer mehr Polizei in den Hof läuft, verschiedene Einsatzfahrzeuge rasen herein und ihre Blaulichter tauchen das Gehöft in schaurig mystisches, Angst machendes und zugleich erlösendes Licht, in dem bizarre Schatten an den Fassaden groteske Tänze zu vollführen scheinen.
„Scheiße, Mann“, flüstert Freitag, der neben Kokoschansky liegt, „auf deine Freunde ist tatsächlich Verlass. Schätze, dass jetzt endgültig alles ausgestanden ist. Eigentlich will ich nicht mehr Taxi fahren ...“
Die Stubentür ist genau in Kokoschanskys Blickfeld. Ein paar schwarze, sauber geputzte Schuhe tauchen auf und bleiben stehen. Der Journalist blickt hoch. Elegante Hose mit messerscharfer Bügelfalte, darüber dunkler Trenc hcoat, die Hände stecken in den Manteltaschen, blütenweißes Hemd mit offenem Kragen, die Krawatte auf halbmast, das Gesicht bestens bekannt.
„Dann wollen wir endlich die Spreu vom Weizen trennen. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“, lacht Bernhard Schuberth, suspendierter Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit.
***
Irgendwer hat Sonja und Kubela mit Kleidung versorgt. Franziska sitzt auf dem Schoß ihrer Mama und ist selig, dass sie wieder bei ihr sein kann. Sie schmiegt sich eng an sie, versteht zum Glück nicht, was passiert ist und findet es inzwischen sehr aufregend. Sie alle wurden in ein anderes Zimm er des Gutshofes gebracht. Nur Kokoschansky ist bei ihnen und besteht darauf, dass alle drei zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht werden. Die beiden Frauen haben ihm inzwischen detailliert geschildert, was ihnen im Gutshof widerfahren ist.
„Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Frau Kubela?“
Sie steht noch immer wie Sonja unter schwerem Schock.
„Wie kommt es, dass Ihre Handynummer auf Ritzlers Mobiltelefon zu fi nden ist?“
„Weil ich ebenso getäuscht worden bin wie Ihre Ex-Frau.“
„Das verstehe ich jetzt nicht.“
„Ich hatte vor einiger Zeit, als ich noch verheiratet war, einen kurzen Spitalsaufenthalt. Nichts Gravierendes, aber der behandelnde Arzt war Ritzler. Dabei hat es gefunkt, so einfach ist das. Ich war sehr empfänglich für Streichele inheiten jeder Art, nachdem meine Ehe längst den
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