Kokoschanskys Freitag
Holster schafft er nicht mehr. Ein Tritt in seine Kronjuwelen entreißt Petranko einen spitzen Schmerzensschrei, er fällt auf die Knie, un fähig sich zu wehren. Der unheimliche Typ aus dem Skoda fängt ihn auf, bevor er der Länge nach auf den Asphalt fallen kann. Blitzschnell fährt die Klinge des Springmessers zweimal bis zum Heft in Petrankos Brust.
***
„Hat der einen Wandertag eingelegt und grast jetzt den ganzen Bezirk ab?“, wundert sich Kokoschansky.
Inzwischen ist es ein Uhr fünfzehn und noch immer kein Anruf. Trotz mehrmaliger Versuche ist Petranko auch auf dem Handy nicht zu erreichen , nur über die Sprachbox.
„Ich muss ihn suchen gehen“, murmelt Koko vor sich hin. „Das gefällt mir nicht.“
Bevor Kokoschansky in seine Jacke schlüpft, öffnet er leise die Schlaf zimmertür. Lena ist längst ins Reich der Träume entschwunden. Aus dem W ohnzimmer, wo Franziska und ihre Mutter schlummern, ist nur regelmäßiges Atmen zu hören. Einen Augenblick lang überlegt Kokoschansky, ob er Lena wecken oder eine Nachricht hinterlassen soll, entscheidet sich aber es zu unterlassen. Schließlich muss Lena heute wieder in den Dienst und braucht ihren Schlaf. Sachte zieht er die Eingangstür hinter sich ins Schloss.
Vor dem Haus ist er unschlüssig, welche Richtung er einschlagen soll. Schließlich wählt er rechts, da ein paar Meter weiter ein Zigarettenautomat an einer Hauswand montiert ist und er dringend Nachschub braucht. In seinen Taschen kramt er nach passendem Kleingeld, steckt die Scheckkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz als Beweis, dass er Zigaretten kaufen darf. Eine der vielen vertrottelten EU-Verordnungen, die Jugendliche vom Nikotin genuss abhalten soll. Jedes Mal gerät Kokoschansky deswegen in Rage. A uf Anhieb fallen ihm Dutzende Möglichkeiten ein, wie Kinder und Jugend liche diese Auflage umgehen können. Doch das ist jetzt unwichtig. Wichtiger ist, wo Petranko steckt?
Kokoschansky wählt seine Sorte, wirft die Münzen ein und das Päck chen poltert in den Ausgabeschacht. Dann greift er in das Rückgeldfach , um seine zwanzig Cent Wechselgeld herauszuholen. Die Münze gleitet ihm durch die Finger, fällt zu Boden und rollt über das Pflaster. Der Journalist bückt sich, will sie aufheben und stutzt. Neben seinem Zwanzig-Cent-Stü ck liegt ein Gegenstand, der wie eine Geldbörse aussieht. Bei näherem Hinsehen entpuppt es sich als Etui. Er hebt es auf, klappt es auseinander und traut seinen Augen nicht. Es ist Petrankos Dienstmarke samt Dienstausweis.
„Scheiße ...!“
Kokoschansky will nicht glauben, was er sieht. Das bedeutet Schlim mes. Petranko streut nicht aus Unachtsamkeit seine Legitimation aus. Dafür ist er in diesen Dingen viel zu ordentlich, nahezu pedantisch. Ihm muss etwas zugestoßen sein. Eine andere Erklärung gibt es nicht. Kokoschansky richtet sich wieder auf und blickt sich um, kann aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Um diese Zeit ist niemand mehr auf der Straße, zumindest nicht in diesem Viertel. Panik überkommt ihn, was soll er jetzt tun. Petrankos Kollegen verständigen, bringt auch nichts. Vielleicht liegt er irgendwo und es geht ihm dreckig? Kokoschansky würde es nicht wundern, wenn Petranko durch einen Herzinfarkt außer Gefecht gesetzt wurde. Kein Wunder, bei dem Stress und der Dauerbelastung.
Er steckt den Ausweis ein. Jetzt ist schnelles Handeln gefragt. Angespannt sucht er intensiv alles ab. Wo es möglich ist, kniet er sich auf den Boden und sieht unter den Autos nach, doch keine Spur des Freundes. Dunkle Ahnungen quälen ihn. Er sieht Petranko bereits tot auf dem Gehsteig liegen. Beim Supermarkt biegt Kokoschansky um die Ecke und bleibt wie ange wurzelt stehen. Blut! Frisches Blut! Das Licht der Straßenlampe verleiht den Spuren einen funkelnden, rubinfarbenen Glanz. Jetzt muss er nur noch den Tropfen folgen. Er schickt ein unbeholfenes Stoßgebet nach dem anderen gen Himmel, in der Hoffnung, dass alles purer Zufall ist. Das Blut stammt von jemand anderem, Petranko war eben nur schlampig und hat seinen Ausweis verloren.
Doch die nächste Hauseinfahrt macht alles zunichte. Seitlich liegt sein Freund zusammengekrümmt in einer Blutlache. Den Mund halb geöffnet, die Zähne rot gefärbt, Blut rinnt heraus. In der verkrampften linken Faust hält er sein Handy. Anscheinend war es ihm noch gelungen, sich ein paar Meter vom Tatort wegzuschleppen. Dabei versuchte er wahrscheinlich über sein Mobiltelefon Hilfe zu rufen, doch dann
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