Kolibri
offen?â
âKeine Ahnung, aber warum ein Risiko eingehen?â
âIch dachte immer, der Bürgermeister sei für alles zuständigâ, sagte Maria, mehr zu sich selbst.
âDas denken die meistenâ, sagte Widmaier und lachte. âIn manchen Städten ist das auch so, in Bremen und in Hamburg, glaube ich, auch. Und natürlich in New York. Aber in Wien gibt es in so einem Fall eine strikte Trennung zwischen Polizeistab und Gemeindestab. Wenn die Bullen nett sind, schicken sie einen Verbindungsoffizier ins Büro des Bürgermeisters, einen Feschak in tadellos gebügelter Uniform, der im Notfall auch vor einer Kamera eine gute Figur macht, wo er dann allen erzählen darf, wie reibungslos die Zusammenarbeit zwischen Polizei- und Gemeindestab funktioniert.â
âUnd dieser Gemeindestab hat wohl eben seinen Arsch vom Sessel hochgebrachtâ, sagte Drechsler und deutete nach vor zur StraÃe, wo drei schwere Löschzüge und ein halbes Dutzend Rettungsautos mit ihren rotierenden Lichtern die Nacht erhellten.
âHe, danke für die Infoâ, sagte Maria, klopfte Widmaier auf die Schulter und drückte Drechsler einen Kuss auf die Wange. âIch muss zurück zu meinen Leuten.â
Drechsler sah ihr nach, wie sie sich elegant einen Weg zwischen den uniformierten Beamten durch bahnte und schlieÃlich bei ihrem Kameramann landete, mit dem sie sofort ein intensives Gespräch begann.
âWarum hast du ihr die Kette nicht gegeben?â, fragte Widmaier.
âSie hat irgendwas vorâ, sagte Drechsler geistesabwesend und umklammerte die Holzblüten in seiner Tasche so fest, dass ihm der Schmerz bis ins Gehirn schoss.
Maria tippte Bayer auf die Schulter, der zusammenzuckte und sich dann umdrehte. âEine Frageâ, sagte sie und deutete mit dem Kugelschreiberauf die Kamera, die auf die gegenüberliegende Fabrik gerichtet war.
âWas denn?â
âHast du auch was Kleineres mit als dieses Monster da?â
âDu sprichst von der Kamera, nehme ich an.â
Maria nickte und wischte sich Schweià von der Stirn.
Bayer tippte mit der Schuhspitze leicht gegen die groÃe Tasche, die neben dem Stativ lag. âIch hab auch eine Digitalkamera dabei, die ist nicht gröÃer als ein Buch.â
Nachdenklich biss sich Maria auf die Unterlippe und kniff die Augen wegen des grellen Lichts der Schweinwerfer zu. Ja oder nein? Noch kannst du einen Rückzieher machen, dachte sie, auf Nummer Sicher gehen, das Spiel nach den Regeln spielen. Nur, erstens würde sie dann nie an die tolle Exklusivstory kommen, die sie unbedingt brauchte, um dem Showbiz zu entfliehen, und zweitens konnte sie sich einfach nicht vorstellen, warum, zur Hölle, Karl sich mit einer Bombe in dieser Fabrik verschanzte. Sie wollte wissen, was da los war, aus erster Hand, jetzt. âKannst du mir beibringen, wie man das Ding bedient?â, fragte sie schlieÃlich.
âKlarâ, sagte Bayer und grinste. âKomm einfach mal nach Redaktionsschluss â¦â
âNeinâ, sagte Maria ungeduldig und trat einen Schritt näher, âich meine jetzt.â
Bayer musterte sie verständnislos. âWarum â¦?â
Maria seufzte und stieà theatralisch Luft aus. âWeil ich da rein will, ganz einfachâ, sagte sie und deutete mit dem Kinn auf die andere StraÃenseite, wo die Fabrik im grellen Licht beinahe obszön glänzte.
âSpinnst du?â, sagte Bayer. âDie Bullen lassen dich da niemals rein. Herrgott, der Typ hat eine Bombe. Schon hier drüben ist es gefährlich, und da willst du â¦â
Maria schnitt ihm mit einem Handkantenschlag, der die heiÃe Luft zerteilte und Bruce Lee stolz gemacht hätte, das Wort ab. âWie du vorher richtig gesagt hast, du bist hier nur der Kameramann.Zeig mir einfach, wie dieses Digitaldings funktioniert, und den Rest überlass mir, okay?â
Bayer starrte sie unschlüssig an, dann atmete er geräuschvoll aus und begann in der Tasche zu seinen FüÃen herumzukramen.
SECHZEHN
Patrick Berger hockte mit hängendem Kopf in einer der hinteren Bankreihen und starrte seine auf Hochglanz polierten Schuhe an. Sein aufgeknöpftes Hemd war unter den Achseln und am Rücken feucht und klebte unangenehm auf der Haut, in seinem Kopf pochte es und sein Magen krampfte sich in unregelmäÃigen Abständen schmerzhaft zusammen. Während er mit den Fingern über
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