Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
einem einzigen indianischen Reich unter einem starken Führer gegenübersah, war Carolina zur Zeit seiner Gründung mit einer unüberschaubaren Vielzahl von indigenen Gruppen konfrontiert. Seit etwa 1000 n.Chr. waren im Mississippi-Tal und im Südwesten Hunderte von eng zusammenliegenden Ortschaften entstanden – Mississippi-Gesellschaften heißen sie bei Archäologen. Sie wurden von Theokraten beherrscht, die auf großen Erdhügeln lebten, und waren die technologisch fortgeschrittensten Kulturen nördlich von Mexiko. Aus weitgehend ungeklärten Gründen lösten sich diese Gesellschaften im 15 . Jahrhundert auf. Beschleunigt wurde der Zerfall durch den Ausbruch europäischer Krankheiten. Zu der Zeit, als Carolina entstand, verschmolzen die geschrumpften Mississippi-Gesellschaften zu Konföderationen verbündeter Gemeinschaften – Creek, Choctaw, Cherokee, Catawba –, die im Südosten um die Macht kämpften. [228]
In den meisten indianischen Gesellschaften gab es Sklaverei, doch unterschied sie sich von Ort zu Ort. Bei den Stämmen der Algonkin-Sprachgruppe, wie beispielsweise den Powhatan, war die Sklaverei in der Regel ein vorübergehender Zustand. Sklaven waren Kriegsgefangene, die wie Dienstboten behandelt wurden, bis sie zu Tode gefoltert, erschlagen, von ihrem eigenen Stamm zurückgekauft oder als vollgültige Mitglieder in die Powhatan-Gesellschaft aufgenommen wurden. Gelegentlich konnten Jamestowns
tassantassas
indianische Gefangene für ihre Felder erwerben, aber sie waren weder für die Powhatan noch für die Engländer ein regelmäßig verfügbares Reservoir von Arbeitskräften. Südlich der Chesapeake Bay verlief die Kulturgrenze zu einer gerade entstehenden Konföderation, in der überwiegend Muskogee gesprochen wurde. Zwar wurden auch in den Konföderationen Kriegsgefangene zu Sklaven gemacht, doch dort ging die Sklaverei auf eine verbreitete und weiter zurückreichende Tradition der Mississippi-Gesellschaften zurück, deren Führern Gefangene als Symbole der Macht und der Rache dienten. Sklaven arbeiteten auf den Feldern, verrichteten niedere Arbeiten und konnten verschenkt werden; Sklavinnen mussten hochstehenden Besuchern sexuelle Dienste leisten – eine von Europäern häufig falsch verstandene Geste, glaubten sie doch, die Indianer böten ihnen ihre Frauen an. Wenn Fremde nach Carolina kamen, wurden überzählige Gefangene nur allzu bereitwillig gegen Äxte, Messer, Metalltöpfe und, vor allem, Gewehre eingetauscht. [229]
Ende des 17 . Jahrhunderts kam die neue Steinschlossflinte auf den Markt – die erste europäische Schusswaffe, die die Indianer für besser als ihre Bogen hielten. Die Luntenschlossgewehre, die John Smith nach Virginia gebracht hatte, verwendeten einen Hebelmechanismus, den Hahn, mit dessen Hilfe eine brennende Lunte auf das Pulver in einer kleinen Pfanne gedrückt wurde; dadurch wurde die Treibladung in der Kammer entzündet und das Geschoss zum Lauf hinausgejagt. Schwer und mit glattem Lauf, mussten die Luntenschlossgewehre auf Dreibeine gestützt werden. Da die Soldaten brennende Lunten mitführen mussten, um ihre Flinten abfeuern zu können, waren die Waffen ungeeignet für Biber-Feuchtgebiete und nahezu unbrauchbar im Regen. Unter idealen Bedingungen schossen sie ihre tödlichen Projektile weiter als ein Bogen. Doch im Krieg sind die Bedingungen niemals optimal. In den Aufzeichnungen aus den Kolonien gibt es zahlreiche Berichte von
tassantassas
, die zu ihrem Entsetzen feststellen mussten, dass ihre Waffen sich in praktischer Hinsicht nicht mit den indianischen Bogen messen konnten – Waffen, die keine beweglichen Teile hatten, die nass werden konnten und die augenblicklich feuerbereit waren. Die Steinschlossgewehre dagegen entzündeten das Schießpulver, indem sie ein Stück Feuerstein gegen ein Stahlplättchen schnellen ließen und dadurch einen Funken erzeugten. Der Funken entzündete eine kleine Pulverladung, die ihrerseits eine größere im Lauf entzündete. Kleiner, leichter und genauer als Luntenschlossgewehre, konnten diese neuen Waffen rascher abgefeuert und auch bei nassem Wetter benutzt werden. [230]
Die südöstlichen Konföderationen, die die Überlegenheit der neuen Waffen rasch erkannten, waren entschlossen, sich weder von den Engländern noch von ihren indigenen Rivalen waffentechnisch ausstechen zu lassen. Der ganze Südosten wurde von einem Wettrüsten erfasst. Um einen Bestand an Steinschlossgewehren zu schaffen, überfielen indigene
Weitere Kostenlose Bücher