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Komische Voegel

Komische Voegel

Titel: Komische Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Zeit hat sich ein Käufer für Polletje gefunden. Wenn ich mich recht erinnere, hat er fünfzig Euro bezahlt. Sogar für ein Shetlandpony, das sich häßlich gegenüber den Enkeln meiner Mutter benimmt, ist das meiner Ansicht nach ein unangemessener, schäbiger Preis. Für ein Tier, das atmet und frißt, das warmblütig ist, das im Grunde auch nur sein Bestes gibt. Ich möchte deshalb nicht wissen, wo es gelandet ist.
    Hundesprech
    6. Woche 2008
    Nach einer Analyse der Bell-Laute von vierzehn Mudis (ungarischen Schäferhunden) haben ungarische Verhaltensforscher ein Computerprogramm entwickelt, das jedes Bellen in eine bestimmte Kategorie einordnen kann. Wie man schon seit längerem weiß, können Menschen dem Bellen eines Hundes oft sehr gut anhören, ob das Tier sich freut, ängstlich oder aggressiv ist. Außer diesen drei Emotionen sollen jetzt auch sechs Arten von Mitteilungsgehalt unterscheidbar sein, die jeweils zu einer charakteristischen Situation gehören und mit »Fremder«, »Kampf«, »Gassi gehen«, »allein«, »Ball« und »Spielen« umschrieben werden. Kurz nachdem ich das in der Zeitung gelesen hatte, stieß ich bei Koos van Zomeren auf folgende Passage: Ach, wunderbare Hunde hatte er gehabt, ganz wunderbare Hunde. Und nicht nur, daß der Hund lernen mußte, seinen Herrn zu verstehen, man mußte selbst auch lernen, seinen Hund zu verstehen. Wenn man seine Sprache erst einmal verstand, dann stellte man fest, daß der Hund immer recht hatte, immer .
    Aus den Ergebnissen der Studie kann man den vorsichtigen Schluß ziehen, daß der Hund erst zu bellen angefangen hat, als er domestiziert wurde. Wölfe und verwilderte Hunde bellen anscheinend nicht, weil sie das Bellen für die Kommunikation untereinander nicht brauchen. Die Vermutung liegt deshalb nahe, daß Hunde bellend mit uns, dem Menschen, sprechen wollen. Das gibt meiner Liebe zum Hund, als Kamerad, als Haustier, noch mehr Nahrung und läßt meine Beziehung zur Katze weiter abkühlen. Es rührt mich, daß ein Hund sich solche Mühe gibt, uns nahezukommen.
Während eine Katze sich jeden Moment geziert von uns abwenden kann oder nach uns schlägt, wenn wir Liebe, Verständnis oder ein Zeichen der Anerkennung brauchen.
    »Pah«, pflegen Katzenliebhaber zu sagen, »Hunde, unterwürfige, gefügige Tiere ohne eigenen Willen! Da ist mir eine eigensinnige Katze lieber!« Seltsam, diese Katzenliebhaber. Wenn ihre Liebsten – oder Menschen im allgemeinen – sich ebenso verhalten würden wie das von ihnen bevorzugte Haustier, oh, dann gäbe es aber Ärger. Warum selbstsüchtige, gleichgültige Tiere lieben, wenn es doch eins gibt, das mit einem speziellen Bellen »allein« sagen kann, oder »Spielen«? Wird einem da nicht ganz warm und weh ums Herz?
    Kevin
    7. Woche 2008
    Kevin ist neunundzwanzig. Er war krank, so krank, daß man ihm tagelang Wasser ins Maul spritzen mußte und ihn immer wieder für einen Darmentkrampfungslauf auf die Weide führte. Kevin ist sehr hübsch, wirkt aber im Augenblick, vermutlich wegen seiner Krankheit, auch etwas zerstreut und reserviert. Er erlaubte mir, ihm die Nüstern zu streicheln, ganz kurz, dann zog er sich zurück und stellte sich mit dem Hintern an die Stallwand. Ein Zittern ging über seine Flanke. Ich rührte mich nicht von der Stelle und dachte: Gleich erwische ich dich, Kevin. Und da geschah es auch schon: Ich sah ihn eindösen. Zuerst winkelte er eine Schimmelhinterhand so an, daß sich das Gewicht auf die andere verlagerte, dann schloß er die Augen. Noch nie hatte ich ein Pferd eindösen sehen. Er wachte schnell wieder auf, we
gen des Lärms draußen: laute Stimmen, quietschende Schubkarrenräder, Traktoren. Mehrmals hob er ruckartig den Kopf, vielleicht, um wieder richtig wach zu werden. Noch einmal zitterten seine Flanken, und noch einmal döste er ein. Pferde machen oft solche Halbnickerchen. Die Kolik war anscheinend überwunden, aber neunundzwanzig ist und bleibt ein beachtliches Alter für ein Pferd.
    Als ich wegfuhr, Stunden später, nachdem alle Landschaftspflegetagsmitarbeiter etwas zu trinken und eine warme Mahlzeit bekommen hatten, sah ich, daß jemand in Kevins Stall das Licht eingeschaltet hatte. Auf dem Weg zum Bahnhof Heerhugowaard fiel mir das Pferd ein, das auf meinen freundlichen Zuruf weggaloppiert war, vor ein paar Wochen. In Hensbroek kam ich an dem Schild mit der Aufschrift HEU vorbei, inzwischen so verblaßt, daß nur noch HE zu lesen ist, und wunderte mich, wie immer, wenn ich es sehe.

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