Komm, dunkle Nacht
Er hat jemanden aufgespürt, den er bestechen konnte, um die Informationen zu kriegen, die er brauchte.«
»Wen?«
»Castleton.«
Sie erstarrte. »Castleton? Bist du sicher?«
»Ganz sicher.«
Sie dachte an ihre Begegnung mit Castleton zurück und konnte sich an nichts erinnern, das ihn hätte verdächtig erscheinen lassen. Aber im Rückblick und im Lichte der Kenntnis, die sie inzwischen von Logan gewonnen hatte, erkannte sie, dass da etwas in seiner Haltung gewesen war, das sie hätte stutzig machen müssen. »Du hast es am Abend unserer Ankunft bereits gewusst.«
»Ja.«
»Und du hast ihn gehen lassen?«
Er antwortete nicht sofort. »Nein.«
Nach allem, was sie inzwischen über Logan erfahren hatte, war sie nicht einmal überrascht. »Weil du Angst hattest, er könnte Rudzak von Monty und mir erzählen und dir den geplanten Überraschungsangriff verderben?«
»Auch. Aber ich hätte es ohnehin getan. Er hat seine Kollegen verraten. Er war verantwortlich für ihren Tod. Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
Sie nickte langsam. »Und so hat Rudzak auch von Dodsworth erfahren.«
»Was Castleton wusste, weiß Rudzak. Als Erstes habe ich also die Sicherheitsvorkehrungen in allen meinen Produktionsstätten und Forschungseinrichtungen verstärkt.«
»In allen? Aber du glaubst, dass er es auf Dodsworth abgesehen hat.«
»Ich nehme es an. Aber was weiß ich? Ich darf nichts riskieren. Abgesehen davon wissen wir, dass er genug Sprengstoff gekauft hat, um eine kleine Stadt in die Luft zu sprengen.«
»Sprengstoff«, flüsterte sie.
»Du warst in Oklahoma City. Du hast gesehen, was Sprengstoff anrichten kann.«
Sie wusste es sehr gut. Sie hatte geholfen, diese unglücklichen kleinen Kinder aus den Trümmern zu ziehen.
»Du darfst das nicht zulassen. Warum hast du nicht die ATF benachrichtigt?«
»Ich habe sowohl die ATF als auch das FBI benachrichtigt.«
»Hast du ihnen auch von Dodsworth erzählt?«
Sie las die Antwort in seinem Gesicht. »Du hast nichts davon gesagt.«
»Noch nicht.«
»Ruf sie an.«
»In Dodsworth wird niemand zu Schaden kommen.«
»Wie kannst du so etwas sagen?« Die Tragödie von Oklahoma City stand ihr noch immer lebhaft vor Augen.
»Du hast gesagt, Rudzak hat sich Sprengstoff besorgt.«
Er schüttelte den Kopf. »Zum ersten Mal haben wir eine gewisse Ahnung, wo Rudzak zuschlagen wird. Wir haben die Chance, ihn in eine Falle zu locken.«
»Das Risiko ist zu groß. Lass die ATF ihm die Falle stellen.«
»Jede Behördenpräsenz in Dodsworth würde ihn sofort abschrecken, das kann ich nicht brauchen, wenn ich ihn in die Falle locken will. Meinen Sicherheitsdienst sieht er als Herausforderung, nicht als Abschreckung. Aber er wird sich die Zähne daran ausbeißen.«
»Ruf die ATF.«
»Noch nicht. Erst wenn es absolut notwendig ist. Erst wenn ich ganz sicher bin, dass wir ihn nicht aufhalten können. Vertrau mir. Ich werde handeln, wenn es nötig ist.«
»Wie viele Leute arbeiten in dieser Forschungseinrichtung?«
»Siebenundfünfzig.«
»Und wissen sie, in welcher Gefahr sie sind?«
»Ja. Ich habe den Leiter des Instituts gebeten, alle darüber zu informieren, was in Santo Camaro geschehen ist, und dass der nächste Anschlag ihnen gelten könnte. Ich habe ihnen freigestellt, die Einrichtung zu verlassen. Nur sechs sind gegangen. Der Rest ist geblieben.«
»Du musst das Institut schließen.«
»Dann sucht Rudzak sich ein anderes Ziel.« Er stand auf.
»Wenn du die ATF mit der Sache befassen willst, ruf sie selbst.«
»Werde ich tun.«
»Dann sei dir darüber im Klaren, dass du damit die Verantwortung für ein zweites Kai Chi übernimmst.«
Sie spürte, dass ihr alles Blut aus dem Gesicht wich.
»Kai Chi?«
»Das war Rudzak. Eine Hommage an Chen Li. Willst du also ein weiteres Kai Chi oder die Chance, den Kerl zu fangen?«
»Kai Chi.« Bleich vor Schrecken starrte sie ihn an.
»Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Weil ich wusste, dass du mich so ansehen würdest, wie du es jetzt tust, und ans andere Ende der Welt flüchten. Du kannst nicht begreifen, dass jemand auf die Idee kommen kann, fünfhundert Menschen zu ermorden, um eine hirnrissige Erklärung abzugeben.«
»Kannst du es?«
»Nein. Aber ich bin ein Teil des Problems und jedes Mal, wenn du mich ansiehst, wirst du Kai Chi sehen.«
»Bitte, ruf die ATF«, flüsterte sie. »Du hast das Kind gesehen, das in Taiwan umkam. Das war noch gar nichts gegen das, was diese Bombe in Oklahoma mit den Kindern gemacht
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