Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
trockenen Asphalt. Der Regen hört so unvermittelt auf, wie er angefangen hat, und der Himmel klart sich auf. Stephanie hält in Punakaiki. Nun ist es nicht mehr weit. Aber sie ist müde, sie braucht eine Pause. Dann noch ein Stück weiter auf der schmalen Landstraße, und sie findet sich in den Außenbezirken von Westport wieder.
Es ist spät am Nachmittag, der graue Himmel verdunkelt sich. Sie parkt auf der Haupteinkaufsstraße und sieht sich um. Cafés, Läden und Pubs säumen die Straße. Sie steht vor einem Schaufenster, das mit Holzschnitzereien, Merinowollschals, Handschuhen, Ponchos und Pullovern vollgestopft ist. Ein Souvenirladen, denkt sie. Schwach vor Müdigkeit macht sie sich auf, das Tourismusbüro zu finden. Sie hat einen Reiseführer dabei, aber vermutlich können ihr die Mitarbeiter des Büros sagen, wo sie eine gute Herberge finden kann, eine günstige Herberge.
Sie muss anstehen. Die Frau, an die sie sich schließlich wendet, trägt ein Namensschild mit roter Kursivschrift an der rosa Bluse: Wendy. »Hatten Sie eine gute Anreise?«
»Ja. Ich suche eine einfache Unterkunft. Sauber. So ruhig wie möglich.«
»Bei uns ist alles sauber. Wir würden Ihnen nichts empfehlen, das nicht sauber ist«, sagt Wendy in schnippischem Ton.
»Tut mir leid. Ich wollte nur … Was empfehlen Sie mir denn?«
»Da wäre das Hotel am Carter’s Beach. Nicht ganz billig, aber wirklich hübsch.«
»Was gibt es noch?«
»Merv’s. Liegt mitten in der Stadt, gleich hier die Straße runter. Und ein Stück weiter draußen finden Sie das Serenity Cottage, etwa zwei Kilometer nördlich der Stadt. Die haben beide noch freie Zimmer. Sie haben die Wahl.«
Stephanie entscheidet sich für Merv’s. Sie ist müde und will sich einfach bloß hinlegen, deswegen scheint ihr die nächstgelegene Unterkunft das Beste zu sein. Sie fährt wenige Hundert Meter weiter und entdeckt einen freien Parkplatz vor dem Haus. Sie nimmt ihre Reisetasche, steigt die Treppe hinauf und öffnet die Tür mit der Aufschrift Rezeption. Über dem Tresen hängt ein Schild: Merv’s Retreat.
Dahinter sitzt eine gelangweilt aussehende Frau und telefoniert die Koteletts darfst du jetzt noch nicht braten, sonst werden sie zu trocken, achte darauf, die Kartoffeln ordentlich zu schälen, jaja, ich komme nach Hause, sobald ich kann. Sie wirft einen Blick auf Stephanie, die die Preistafel an der Wand studiert. Sie braucht ein Einzelzimmer, das ist ein bisschen teurer, aber sie kann sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, sich wieder ein Zimmer mit fremden Leuten zu teilen.
»Ein Einzelzimmer, bitte.«
»Wie lange bleiben Sie?«
Sie ist ratlos. Wie lange werde ich brauchen, wie lange wird das dauern? »Ich … ich weiß es noch nicht.«
Die Frau klopft mit dem Kuli auf den Empfangstresen. »Was soll ich als Abreisetag eintragen?«
»Vielleicht den Mittwoch? Falls ich länger bleiben möchte, gebe ich Ihnen Bescheid.«
»Auf Ihr Risiko. Bettwäsche?«
»Wie bitte?«
»Brauchen Sie Bettwäsche? Kostet zehn Dollar extra.«
Sie könnte ihren Schlafsack benutzen. Aber nein, du liebe Güte, sie sehnt sich nach kühlen, sauberen, frischen Laken. »Ja, die nehme ich.«
Du lieber Gott, ist das die viel gepriesene Gastfreundschaft der Westküstenbewohner? Sie bringt ihre Tasche aufs Zimmer. Ein schmales Einzelbett mit einer abgenutzten blassrosa Tagesdecke. Sie ist eigentlich zu müde, um zu essen, geht aber doch noch einmal hinaus, entdeckt ein chinesisches Restaurant und setzt sich ans Fenster. Draußen läuft kaum ein Mensch herum, es ist kalt und schon fast dunkel. Sie stochert in ihrem Essen: fettiges Huhn, dicke, pampige Klumpen aus geschnittenem Weißkohl.
Sie wird in Zukunft besser planen müssen. Sie kann es sich nicht erlauben, ständig in Cafés und Restaurants zu essen. Gleich morgen wird sie einen Supermarkt suchen und sich eindecken. Sie geht zurück ins Gästehaus und erledigt eilig ihre Abendtoilette im Gemeinschaftswaschraum. Versucht, die braunen Flecken im Waschbecken zu übersehen.
Draußen dröhnen Autoradios, jaulen Motoren, quietschen Bremsen. Das Zimmer liegt so nah an der Straße, dass sie Schritte und Gesprächsfetzen hören kann. Hin und wieder dringt Geschrei aus dem nicht weit entfernten Pub. Sie sehnt sich nach Schlaf, aber immer, wenn sie kurz vorm Eindösen ist, wird sie von dem Lärm jäh geweckt. Sie wälzt sich im Bett herum bei dem Versuch, eine bequeme Einschlafposition zu finden in was für einem ungastlichen Zimmer sie
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