Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
Verglichen mit dem übervollen, wohnlichen Heim, das sie mit ihrer Schwester teilte, herrschte in Tartaglias Wohnung Krankenhausatmosphäre. Keine Familienfotos, kein persönlicher Schnickschnack, kein sentimentaler Krimskrams, wie man ihn aus dem Urlaub mitbrachte oder zu Ehren einer besonderen Freundschaft aufbewahrte. So wie sie ihn kannte, lag das nicht daran, dass ihm nicht an einem echten Zuhause gelegen war. Es war eine bewusste Entscheidung.
Auch wenn die fehlende Unordnung ihr fremd war, mochte sie die kahlen weißen Wände und das große Schwarzweißfoto über dem Kamin. Das einzige Bild im ganzen Zimmer. Mit dem Glas in der Hand stand sie auf, um es sich genauer anzusehen. Es war schlicht, aber wirkungsvoll. Eine junge Frau schlenderte über eine sonnenbeschienene, kopfsteingepflasterte Straße und strich sich eine dunkle Haarlocke aus dem Gesicht. Sie wirkte nachdenklich und schien nicht zu merken, dass sie fotografiert wurde. Hinter ihr ein hoher Torbogen, darüber in großen Neonlettern der Name »Bar Toto«, an der Seite war ein Schriftzug, vermutlich auf Latein, in die Mauer gemeißelt. Der Kleidung und den Schuhen der Frau nach zu urteilen, stammte das Foto aus den späten Fünfziger- oder frühen Sechzigerjahren. Es erinnerte Donovan an La Dolce Vita, den einzigen italienischen Film, den sie je gesehen hatte. Abgesehen davon, dass es irgendwo in Italien aufgenommen worden war, hatte sie keine Ahnung, warum Tartaglia es ausgewählt hatte, auch wenn es ein faszinierendes Foto war.
Während sie das Bild betrachtete, in die Szenerie eintauchte und sich eine Geschichte dazu ausdachte, klingelte das Telefon. Sie nahm ab und hoffte, Sally-Annes Stimme zu hören.
»Ist Mark da?«, fragte eine Frauenstimme mit leichtem schottischem Akzent.
»Er ist gerade unter der Dusche«, antwortete Donovan, und sofort war ihre Neugier geweckt. Es war definitiv nicht Fiona Blake.
Stille. »Wird es länger dauern?«
»Das weiß ich nicht. Er war joggen. Ich bin Sam Donovan, wir arbeiten zusammen«, sagte sie. Etwas in der Stimme der Frau hatte sie veranlasst, sich zu rechtfertigen.
»Ah.« Die Frau klang ein klein wenig enttäuscht. »Ich bin Nicoletta, seine Schwester. Könnten Sie ihm ausrichten, dass ich angerufen habe und dass wir ihn am Sonntag zum Mittagessen erwarten? Sagen Sie ihm: keine Diskussionen. John und die Kinder wollen ihn sehen, und Elisa und Gianni und ein paar Freunde werden auch da sein. Es ist alles arrangiert.«
Sie fragte sich, wie Tartaglia auf eine solche Anordnung reagieren würde, und hatte gerade aufgelegt, als er ins Zimmer kam, barfuß, in Jeans und einem lockeren Pullover mit weitem Ausschnitt, und sich energisch die Haare trocken rubbelte. Donovan gab die Nachricht weiter.
»Scheiße«, sagte er und warf das Handtuch in den kleinen Flur, der zum Rest der Wohnung führte. »Ich bin jetzt schon seit fast drei Jahren bei der Mordkommission, aber egal, was ich sage, Nicoletta begreift es nicht. Der Fall geht ihr am Arsch vorbei. Der Sonntag ist heilig, und nichts ist wichtiger als ein Familientreffen, auch keine Toten in irgendwelchen Leichenschauhäusern. Ich brauche was zu trinken.«
Er ging in die Küche und kam mit einer Flasche Rotwein und einem großen, vollen Glas zurück. Er ließ sich in der Mitte des Sofas nieder und atmete geräuschvoll aus, während er die nackten Füße auf den Couchtisch stellte. »Gott, was für ein Scheißtag. Es kommt noch soweit, dass ich von diesem Arschloch Kennedy Anweisungen entgegennehmen muss.«
Er wirkte aufgebrachter, als sie ihn seit langem gesehen hatte, die dunklen Ringe unter den Augen sahen fast wie Blutergüsse aus. Den Stoppeln auf seinem Kinn nach zu urteilen, hatte er sich seit dem frühen Morgen nicht mehr rasiert. Vielleicht brauchte er nur ein paar Nächte Schlaf, aber da standen die Aussichten in nächster Zukunft denkbar schlecht. Sie konnte nur hoffen, dass das alles war, was ihn belastete.
Sie setzte sich wieder, zog die Schuhe aus und fing an, sich die müden Füße zu massieren. »Du hast gesagt, Kennedy will nicht, dass du dich weiter mit Marion Spear beschäftigst.«
Er nickte. »Der Experte sagt, sie passt nicht ins Opferprofil. Aber mir ist scheißegal, was der redet. Ich glaube immer noch, dass es sich lohnen könnte.«
»Was macht dich da so sicher?«
»Hier und hier«, sagte er und schlug sich mit der Faust auf Herz und Bauch. »Aber ein rückgratloser Idiot wie Kennedy hat von so etwas natürlich keine
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