Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
anderes.
Sie musterte die vier Abendkleider, die sie mitgebracht hatte, verwarf das Kamali mit den Silbernieten und das todschicke Donna-Karan-Kleid. Schließlich entschied sie sich für ein trägerloses schwarzes Seidenkleid von Gianni Versace. Es
ließ die Schultern frei, betonte die Taille und fiel in ungleichmäßigen Stufen bis zu den Waden hinunter. Sie zog sich rasch an, griff nach dem Abendtäschchen und dem Zobel und streichelte den weichen Pelzkragen. Stefan hätte ihr diesen Mantel nicht schenken sollen. Aber er schien so bestürzt, daß sie ihn nicht annehmen wollte, daß sie schließlich nachgegeben hatte. So viele kleine Pelztiere hatten ihr Leben lassen müssen, damit sie sich modisch kleiden konnte! Außerdem beleidigte das großzügige Geschenk ihren Unabhängigkeitssinn.
Entschlossen legte sie den Zobel beiseite und nahm statt dessen einen flammendroten Schal. Zum ersten Mal an diesem Abend betrachtete sie sich im Spiegel. Das Kleid von Versace, die diamantenen Ohrstecker, schwarze Strümpfe mit winzigen Glitzerperlen besetzt, elegante italienische Schuhe – den ganzen Luxus hatte sie sich von ihrem eigenen Geld gekauft. Mit zufriedenem Lächeln drapierte sie sich den roten Schal um die nackten Schultern und machte sich auf den Weg zum Fahrstuhl.
Gott segne Amerika!
24
Du verkaufst dich weit unter Wert!« empörte sich Skeet. Das Taxi bewegte sich im Schleichtempo die Fifth Avenue entlang. Dallie blickte stur und grimmig geradeaus, aber Skeet ließ nicht locker. »Auch wenn du’s dir noch so schön zurechtlegst von wegen ›neuen Chancen‹ und ›Erweiterung des Horizonts‹ – bei Licht besehen ist das das Ende!«
»Ich bin bloß realistisch«, erwiderte Dallie leicht irritiert. »Das ist doch einfach die Chance meines Lebens, du Dummkopf!« Nicht selbst hinter dem Steuer zu sitzen war für Dallie schon ausreichend Grund zu schlechter Laune, aber dann
auch noch ein Verkehrsstau in Manhattan und ein Fahrer, der nur Persisch verstand … Was zuviel ist, ist zuviel!
Die letzten beiden Stunden hatten sie auf Einladung eines Fernsehbonzen getafelt. Dallie sollte nämlich einen Exklusiv-Vertrag über fünf Jahre als Kommentator bei Golfturnieren unterzeichnen. Als er im vorigen Jahr eine Handgelenksverletzung auskurieren mußte, hatte er beim Sender schon Erfahrungen auf dem Gebiet sammeln können. Die Zuschauer waren angetan, darum war der Sender sofort hinter ihm her. Dallie besaß einen lässigen, unbekümmerten Humor – genau wie die derzeit beliebtesten Fernsehkommentatoren, Lee Trevino und Dave Marr. Und war sehr viel hübscher anzusehen als jene beiden – meinte einer der stellvertretenden Intendanten zu seiner dritten Gattin …
Aus gegebenem Anlaß war Dallie einen Kompromiß in seiner Kleidung eingegangen: marineblauer Anzug, blaßblaues Frackhemd, dazu eine ordentliche hellbraune Krawatte aus reiner Seide. Skeet hatte sich für eine Cordjacke von der Stange entschieden, dazu trug er einen schmalen Binder, den er 1973 beim Wettbewerb im Münzweitwurf in Goldfischgläser gewonnen hatte …
»Du verschenkst dein begnadetes Talent!«
Dallie fuhr herum und funkelte ihn böse an. »Du verdammter Heuchler, du! Solange ich zurückdenken kann, hast du mir ständig Talentsucher aus Hollywood auf den Hals gehetzt. Für ein Pin-up! Und jetzt, da ich ein halbwegs seriöses Angebot in der Tasche habe, regst du dich künstlich auf!«
»Die anderen Angebote hätten dich nicht vom Spielen abgehalten! Verdammt noch mal, Dallie, für eine kleine Gastrolle im ›Love Boat‹ hättest du bei keinem einzigen Turnier aussetzen müssen. Aber das hier ist doch etwas ganz anderes. Da sollst du deine Geistesblitze über Normans rosa Hemdchen loslassen, während Norman gerade dabei ist, Golfgeschichte zu machen. Das ist das Ende deiner Profilaufbahn!
Wenn ich mich nicht sehr irre, haben die Fernsehfritzen nichts davon gesagt, daß du nur dann kommentieren sollst, wenn du gerade nicht im Cut bist – wie Nicklaus und ein paar andere große Namen. Sie bieten dir einen Fulltime-Job. Als Kommentator, Dallie – nicht auf dem Golfplatz.«
Das war eine der längsten Reden, die Dallie je aus Skeets Mund vernommen hatte, und sie verfehlte für einen kurzen Augenblick nicht ihre Wirkung. Aber dann murmelte Skeet noch etwas, das Dallies Toleranzschwelle beinahe überschritten hätte. Es kostete ihn einige Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren, doch schließlich hatte er Skeet in den letzten
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