Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Spielzeiten eine herbe Enttäuschung nach der anderen bereitet …
Auf der Heimfahrt von einer Kneipe hätte er vor ein paar Jahren fast einen jugendlichen Radfahrer totgefahren. Die Tabletten hatte er vor Jahren aufgegeben, seine Freundschaft zur Flasche allerdings nicht – bis zu der bewußten Nacht. Der Junge war mit einer gebrochenen Rippe davongekommen und Dallie mit einem blauen Auge, aber der Unfall hatte ihn so aufgewühlt, daß er keinen Tropfen mehr anrührte. Leichtgefallen war ihm das nicht, ein Beweis, daß er sich über seine Trinkerei etwas vorgemacht hatte. Auch wenn er beim Masters oder U. S. Classic nie auf einen grünen Zweig käme, ein Kind im Rausch zu überfahren, das würde ihm nicht passieren.
Zu seinem nicht geringen Erstaunen hatte der Alkoholverzicht sich positiv auf seine Leistung ausgewirkt, und im darauffolgenden Monat hatte er den dritten Platz im Bob Hope gemacht, vor laufenden Fernsehkameras. Skeet weinte fast vor Glück. In derselben Nacht hatte Dallie ein Telefongespräch zwischen Skeet und Holly Grace mitgehört. »Ich hab’ gewußt, er hat das Zeug dazu. Er kommt noch ganz groß raus, Holly Grace. Unser Junge schafft den Durchbruch.«
Aber den hatte er nicht geschafft, nicht ganz. Skeet schien es
das Herz zu brechen. Ein- bis zweimal pro Saison schaffte Dallie den zweiten oder dritten Platz in großen Turnieren. Doch offenbar war jetzt der Lack ab, und mit seinen siebenunddreißig Jahren lagen die großen Meisterschaftstitel für Dallie endgültig außer Reichweite.
»Die technischen Fertigkeiten hast du, das Talent auch«, sagte Skeet. »Aber irgendwas blockiert dich. Wenn ich bloß wüßte, was.«
Dallie wußte es, verriet aber nichts. »Jetzt hör mal gut zu, Skeet Cooper! Jedes Kind weiß, daß Golf im Fernsehen das reinste Schlafmittel ist. Diese Typen vom Fernsehen wollen mir gutes Geld hinterherschmeißen, damit ich ein bißchen Schwung in den Laden bringe. Und da soll ich ihnen ihr großzügiges Angebot vor die Füße werfen?«
»Die Typen tragen mir zu teures Parfüm«, nörgelte Skeet. »Und seit wann bist du so geldgeil?«
»Seit ich auf dem Kalender gesehen habe, daß ich siebenunddreißig bin.« Dallie beugte sich vor und klopfte auf die Trennscheibe zum Fahrer. »He, lassen Sie mich an der nächsten Ecke raus!«
»Und wo willst du bitte schön hin?«
»Zu Holly Grace, wenn du’s wissen mußt. Und zwar allein.«
»Das hilft dir gar nichts, die sagt bestimmt dasselbe wie ich!«
Dallie stieß die Tür auf und sprang hinaus. Mit dem nächsten Schritt landete er in einem Hundehaufen. Geschieht mir recht, dachte er. Wieso muß ich den Jahresetat eines Dritte-Welt-Staates für einen einzigen Lunch verprassen.
Ohne sich weiter um die bewundernden Blicke einiger Passantinnen zu kümmern, strich er seine Schuhsohle an der Gehwegkante ab. Und schon meldete sich der Bär wieder: ›Unterschreib, solange sie dich noch haben wollen. Wie lange willst du dir selbst in die Tasche lügen?‹
›Ich? Mir in die Tasche lügen?‹ Dallie ging in Richtung Holly Graces Apartment.
Der Bär ließ sich aber nicht abschütteln. ›Hast wohl geglaubt, wenn du das Saufen drangibst, kriegst du die Eagle-Putts hin, was? So einfach stellst du dir das vor? Warum erzählst du dem guten alten Skeet nicht, was mit dir los ist? Warum beichtest du ihm nicht, daß du zuviel Schiß hast, um dir den Titel zu holen?‹
Dallie legte einen Schritt zu, doch der Bär ließ sich nicht abwimmeln.
Holly Grace wohnte im Museumsturm, dieser Luxusherberge über dem Museum für Moderne Kunst. Holly Grace drückte es gern so aus: »Ich schlafe auf den berühmtesten Malern der Welt!« Der Portier erkannte Dallie und ließ ihn in Holly Graces Apartment. Er wartete auf ihre Heimkehr. Seit Monaten hatten sie sich nicht gesehen, waren aber ständig telefonisch miteinander in Kontakt und erzählten sich jede kleine Einzelheit aus ihrem Leben.
Die Einrichtung war so gar nicht nach Dallies Geschmack. Zu viele weiße Möbel, bizarre Stühle, die er sehr unbequem fand, und ein bißchen abstrakte Kunst, die ihn entfernt an Entengrütze erinnerte. Er warf Mantel und Krawatte ab. In einem Schrank, der gut in ein Dentallabor gepaßt hätte, fand er einen Kassettenrekorder. Er suchte sich »Born in the USA« heraus, spulte die Kassette gleich auf den Song »Darlington County« vor. Mit Leichtigkeit unter die ersten zehn Songs zu rechnen, die Amerika hervorgebracht hatte. Dallie spazierte in dem großzügigen
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