Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
einläßt.«
Francesca seufzte und rekelte sich. »Tut mir leid, Mummy, aber mein Entschluß steht fest. Mich hat’s erwischt.«
»Sei doch vernünftig, Liebling. Er könnte dein Vater sein!«
»Hattest du mal was mit ihm?«
»Natürlich nicht. Du weißt, daß wir beide nicht miteinander auskommen.«
»Dann dürftest du wohl keine ernstzunehmenden Einwände erheben.«
Chloe bettelte und flehte, aber Francesca wollte nicht hören. Sie hatte es satt, wie ein Kind behandelt zu werden. Sie war auf ein Abenteuer für Erwachsene aus – ein sexuelles Abenteuer.
Wenige Monate früher hatte sie ein großes Trara darum gemacht, daß Chloe mit ihr zum Arzt ging, damit sie die Pille verschrieben bekäme. Zuerst war Chloe dagegen gewesen, hatte ihre Meinung aber rasch geändert, als sie Francesca in leidenschaftlicher Umarmung mit einem jungen Mann sah, der ihr gerade unter den Rock faßte. Seit diesem denkwürdigen Augenblick lag jeden Morgen eine Pille auf Francescas Frühstückstablett, die sie mit großem Zeremoniell hinunterschluckte.
Francesca hatte niemanden wissen lassen, daß die Pille sich bislang als vollkommen überflüssig erwiesen hatte. Noch weniger hatte sie irgend jemanden darin eingeweiht, daß ihre anhaltende
Jungfräulichkeit ihr ernsthaft zu schaffen machte. Alle ihre Freundinnen ließen sich lang und breit über ihre sexuellen Erlebnisse aus, so daß sie große Angst bekam, ihre eigenen Schilderungen könnten als Lügen entlarvt werden. Wenn irgend jemand herausbekäme, was für ein Kind sie noch war, wären ihre Tage als Nummer eins der Londoner Trendsetter mit Sicherheit gezählt.
Mit eiserner Entschlossenheit reduzierte sie ihre jugendliche Sexualität zu einer Sache der gesellschaftlichen Stellung. So war es einfacher für sie, denn gesellschaftliche Stellung war etwas, worauf sie sich verstand, während die Einsamkeit, die ihre anormale Kindheit in ihr hervorgerufen hatte, das sehnsüchtige Verlangen nach einer Bindung an einen anderen Menschen, sie nur verwirrte.
Obwohl sie längst den Entschluß gefaßt hatte, ihre Unschuld zu verlieren, traf sie auf ein unerwartetes Hindernis. Da sie den größten Teil ihres Lebens mit Erwachsenen verbracht hatte, fühlte sie sich nicht recht wohl unter ihresgleichen, nicht einmal in Gesellschaft der bewundernden Jungen, die ihr wie wohlerzogene Schoßhündchen überallhin folgten. Sie wußte wohl, daß zum Sex ein gewisses Maß an Vertrauen gehört, das aber konnte sie diesen unerfahrenen Jungen nicht entgegenbringen.
Beim Anblick von Evan Varian im Annabel’s hatte sie sofort die Lösung aus diesem Dilemma entdeckt. Wer wäre besser geeignet, sie über die Schwelle zum Frausein zu tragen, als dieser erfahrene Mann von Welt? Sie sah keinerlei Verbindung zwischen der Tatsache, daß sie ihn jetzt zu ihrem Liebhaber erkoren hatte, und dem Umstand, daß sie ihn vor Jahren als Vater hatte haben wollen.
Also nahm Francesca – unter Chloes ausdrücklichem Protest – Evans Einladung an, am folgenden Wochenende mit ihm bei Mirabelle zu dinieren. Sie saßen an einem Tisch direkt neben einem kleinen Gewächshaus, in dem die Schnittblumen
des Restaurants gezüchtet wurden. Sie aßen Lammrippe mit Kalbfleisch- und Trüffelfüllung. Er berührte ihre Finger, hob aufmerksam den Kopf, wenn sie sprach, und sagte, sie sei die schönste Frau im Saal. Francesca empfand diese Feststellung zwar als ziemlich überflüssig, freute sich aber trotzdem über das Kompliment, zumal die illustre Bianca Jagger am anderen Ende des Saales an einem Hummersoufflé knabberte. Nach dem Diner gingen sie auf eine Zitronenmousse und Erdbeereis zu Leith, anschließend in Varians Haus in Kensington, wo er ihr auf dem Konzertflügel im Wohnzimmer eine Mazurka von Chopin vorspielte und ihr einen unvergeßlichen Kuß gab. Als er sie dann nach oben in sein Schlafzimmer geleiten wollte, sperrte sie sich allerdings.
»Vielleicht ein andermal«, meinte sie forsch. »Ich bin nicht in der richtigen Stimmung.« Es kam ihr gar nicht in den Sinn, ihn darum zu bitten, daß er sie ein bißchen streichelte oder sie sich an ihn kuscheln dürfte. Varian gefiel ihre Weigerung gar nicht, aber sie stellte seine gute Laune schnell wieder her durch ein kokettes Lächeln, das künftige Freuden versprach.
Zwei Wochen später zwang sie sich, neben ihm die lange Wendeltreppe hinaufzusteigen, vorbei an der Landschaft von Constable und der Recamier-Liege, durch den Torbogen und in sein üppig ausgestattetes
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