Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Daher brachte sie es nicht übers Herz, ihn an die Luft zu setzen. Ihr Mißtrauen gegenüber der Polizei und der Justiz hatte sich auch nicht grundlegend verändert.
»Sei nett zu mir, sonst leg’ ich auf!« sagte er.
»Prima – dann brauch’ ich nur schön fies zu sein, und du haust endlich ab«, konterte sie.
»Du hast Post vom Kinderschutzbund. Er bedankt sich für deine Spende. Lumpige fünfzig Dollar.«
»Verdammt noch mal, wie kommst du dazu, meine Post zu lesen?«
»Willst du dir himmlischen Lohn erkaufen, Schwesterherz?«
Naomi biß nicht an. Nach einer kleinen Pause entschuldigte er sich widerwillig. »Tut mir leid. Ich langweile mich zu Tode.«
»Hast du dir die Informationen über das Jurastudium durchgelesen?« fragte sie beiläufig.
»Ach, Scheiße, fang doch nicht schon wieder an!«
»Gerry …«
»Ich verkaufe mich nicht.«
»Denk mal drüber nach, Gerry. Du verkaufst dich doch nicht, wenn du Jura studierst. Es ist besser, das System von innen zu verändern …«
»Hör schon auf, Naomi. Die Welt da draußen sprengt sich bald in die Luft. Noch ein Rechtsanwalt mehr ändert auch nichts daran.«
Sie spürte sein Interesse an der Sache, trotz der heftigen Proteste. Er brauchte wohl noch Bedenkzeit, sie würde ihn nicht bedrängen. »Hör mal, Gerry. Ich muß ein paar Tage verreisen. Tu mir bitte den Gefallen und verschwinde, bevor ich wiederkomme!«
»Wohin willst du?«
Sie sah lächelnd auf ihren Notizblock. In vierundzwanzig Stunden wäre das SASSY-Girl verbrieft und versiegelt. »In ein Kaff namens Wynette in Texas«, antwortete sie.
Francesca saß neben Dallie im »Anker«, in Jeans, Sandalen und einer knallbunten Baumwollbluse von Miß Sybil. Nach drei Wochen in Wynette konnte sie die Abende, die sie hier im »ersten Lokal am Platz« verbracht hatten, schon gar nicht mehr zählen. Es gefiel ihr sogar in dieser Spelunke, trotz der nervigen Country-Band, der dicken Rauchschwaden und der schwarzen und orangefarbenen Girlanden, die als Dekoration für Halloween aufgehängt waren.
Jeder in Wynette kannte den berühmtesten Golfer der Stadt, von allen Seiten hörte man »Hey, Dallie«, wenn sie zusammen die Kneipe betraten. Heute gab es vereinzelt auch mal »Hey, Francie« dazwischen, was sie sehr freute.
Ein weiblicher Stammgast schob sich die Hexenmaske hoch und drückte Skeet einen geräuschvollen Kuß auf die Wange. »Skeet, alter Bär, ich schleppe dich doch noch zum Altar!«
Er lachte: »Du bist zu jung für mich, Eunice. Mit dir kann ich’s nicht aufnehmen.«
»Da kannst du wohl recht haben.« Eunice brach in schallendes Gelächter aus und zog mit einer Freundin ab, die ihre Figur unklugerweise mit einem Haremskostüm nur spärlich umhüllt hatte.
Francesca lächelte. Auch wenn Dallie nicht allzu guter Laune war, sie amüsierte sich. Die meisten Gäste trugen wie üblich Jeans und Stetsons, aber einige waren in Halloween-Masken, und die Tresenbedienung trug Brillen mit falschen Nasen.
»Komm, Dallie!« schrie eine Frau ihnen zu. »Wir spielen Äpfelschnappen!«
Dallie packte Francescas Arm und stieß entnervt hervor: »Gott, das fehlt mir gerade noch! Rede kein Wort mehr. Ich will tanzen, verdammt noch mal.«
Sie hatte zwar keinen Ton gesagt, aber da seine Miene so düster war, unterdrückte sie eine diesbezügliche Bemerkung. Sie stand auf und folgte ihm. Er zerrte sie zur Jukebox, sie mußte an die erste Nacht in dieser Kneipe denken. War das wirklich erst drei Wochen her?
Sie hatte sich noch nicht ganz von den Ereignissen im »Blue Choctaw« erholt gehabt und war verständlicherweise nervös gewesen. Dallie hatte sie auf die Tanzfläche gezerrt und darauf bestanden, ihr den texanischen Two-Step und den Cotton-Eyed Joe beizubringen. Nach zwanzig Minuten war sie krebsrot und klatschnaß gewesen. Sie wollte nur noch zur Toilette und sich wieder herrichten. »Ich habe genug getanzt, Dallie«, hatte sie gesagt.
Er bugsierte sie mitten auf die Tanzfläche. »Wir sind doch noch beim Aufwärmen.«
»Mir ist warm genug, danke.«
»Ja? Mir nicht.«
Das Tempo der Musik beschleunigte sich, und Dallie griff immer fester zu. Sie hörte Chloes Stimme durch die Country-Musik,
daß keiner sie liebte, wenn sie nicht schön wäre. Sie begann sich äußerst unbehaglich zu fühlen. »Ich möchte nicht mehr tanzen«, hatte sie gesagt und versucht, sich loszureißen.
»Pech! Ich will nämlich.« Dallie schnappte sich im Vorübergehen seine Bierflasche vom Tisch. Ohne einen
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