Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
wieder, und die Katze verlagerte ihr Gewicht auf Francescas Fuß und funkelte sie böse an. »Sind Sie sicher, daß dies der richtige Weg ist?« fragte sie einige Meilen später. »Die Straße scheint nicht sehr befahren zu sein.«
Der Mann zündete sich eine neue Zigarette an und griff sich die Karte, die neben ihm lag.
Francesca war jetzt schlauer als vor einem Monat und sah, in welche Richtung der Schatten der Mesquitesträucher fiel. »Wir fahren ja in Richtung Westen!« rief sie aus. »Hier geht es nicht nach San Antonio.«
»Es ist eine Abkürzung«, antwortete er und ließ die Karte fallen.
Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Vergewaltigung … Mord … ein entflohener Sträfling und ein verstümmelter Frauenkörper am Straßenrand. Das war zuviel. Sie hatte Liebeskummer, war völlig erschöpft, die Energie für noch mehr Katastrophen brachte sie einfach nicht auf. Vergebens suchte sie den Horizont nach anderen Autos ab. Das einzige, was sie in weiter Ferne erblickte, war ein einsamer Sendemast mitten
in der Landschaft. »Lassen Sie mich raus!« sagte sie scheinbar ganz ruhig, als ob ihr der Gedanke an Mord und Totschlag völlig fernläge.
»Das geht nicht«, sagte er. »Bleiben Sie bei mir, bis wir an der Grenze zu Mexiko sind, dann können Sie aussteigen.«
Er nahm einen langen Zug aus seiner Zigarette. »Ich tue Ihnen nichts. Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen. Ich bin gegen jede Form von Gewalt. Ich muß unbedingt die Grenze erreichen, und dazu müssen zwei Personen im Wagen sitzen. Vorhin saß auch eine Frau neben mir, aber als ich auf sie wartete, kam ein Streifenwagen vorbei. Dann sah ich Sie mit Ihrem Koffer am Straßenrand …«
Falls er sie mit dieser Erklärung beruhigen wollte, ging es völlig daneben. Er war also tatsächlich auf der Flucht. Sie versuchte, die hysterische Angst unter Kontrolle zu halten, aber ohne Erfolg. Als er vor dem nächsten Schlagloch das Tempo etwas verlangsamte, griff sie nach der Tür.
»Hey!« Er trat auf die Bremse und packte sie am Arm. Das Auto kam kreischend zum Stehen. »Lassen Sie das! Ich tue Ihnen doch nichts.«
Sie versuchte ihn abzuschütteln, aber er ließ sie nicht los. Sie schrie. Die Katze sprang an ihr hoch. »Lassen Sie mich raus!« kreischte sie.
Er hielt sie ganz fest und redete begütigend auf sie ein. »Hey, es ist alles in Ordnung. Ich muß nur ganz schnell die Grenze erreichen, sonst …«
»Nein!« kreischte sie. »Ich will hier raus!« Sie warf sich mit dem ganzen Körper gegen die Tür, die Katze machte einen Buckel und schlug dem Mann die Zähne in den Schenkel. Der Mann schrie vor Schmerz laut auf und versuchte, das Tier wegzustoßen.
»Lassen Sie die Katze in Ruhe!« brüllte Francesca und schlug ihn auf den Arm, während die Katze noch fester zubiß.
»Nehmen Sie die Katze von mir weg!« schrie der Mann. Bei
dem Versuch, sich gegen das wütende Tier zu verteidigen, schlug er sich versehentlich die Zigarette aus dem Mund. Sie fiel ihm ins offene Hemd. Er schlug danach, sein Ellenbogen stieß gegen die Hupe.
Francesca sprang auf ihn.
Die Katze kletterte an ihm hoch.
»Raus!« brüllte er.
Sie rüttelte wieder an der Tür. Dieses Mal gab sie nach, Francesca sprang hinaus, die Katze hinter ihr her.
»Sie sind total verrückt!« schrie der Mann. Mit einer Hand fischte er sich die Zigarette aus dem Hemd, mit der anderen rieb er sich das Bein.
Sie entdeckte ihr Köfferchen und streckte blitzschnell die Hand danach aus. Aber bevor sie es erreichen konnte, hatte er die Tür zugeschlagen.
»Ich will meinen Koffer!«
»Hol ihn dir doch!« Er machte eine obszöne Geste, dann brauste er davon. Francesca blieb in einer großen Staubwolke zurück.
»Mein Koffer!« rief sie noch hinterher. »Ich brauche ihn!« Sie rannte hinter dem Cadillac her, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte. Dann fiel sie auf die Knie.
Ihr Herz hämmerte wild. Sie lachte lauthals. Jetzt hatte sie es geschafft. Endlich war es soweit. Und dieses Mal war kein gutaussehender blonder Retter in Sicht. Neben ihr fauchte die Katze. Seit sie in dieses Land gekommen war, hatte sie alles verloren. Ihre ganze Habe und sich selbst …
Verse aus der Bibel fielen ihr bruchstückhaft wieder ein, irgend etwas über Saulus auf dem Weg nach Damaskus, der im Staub gelegen hatte und neu geboren wurde. Francesca wünschte sich auch, neu geboren zu werden. Sie hoffte auf ein Wunder, ein Wunder von biblischen Dimensionen … eine göttliche Stimme, die ihr etwas verkünden
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