Komm zurück, mein dunkler Bruder
Unbehagen zu spüren, denn er ließ ein kurzes und trockenes Schnauben humorloser Erheiterung hören.
»Na ja. In dem alten Maultier stecken schon noch ein paar Tritte.« Seine Wortwahl schien mir ein wenig unglücklich, da ihm der linke Fuß ebenfalls fehlte und Tritte absolut nicht zur Debatte standen. Dennoch war ich froh, dass er seine Depressionen abschüttelte, deshalb schien es eine gute Sache, ihm beizupflichten.
»Das hat nie jemand bezweifelt«, sagte ich. »Ich bin sicher, dass es dir bald wieder prima geht.«
»Hmhm«, antwortete er nicht sehr überzeugend. »Aber ich muss ja nicht dich überzeugen, sondern ein paar alte Schreibtischhengste in Washington. Man hat mir einen Bürojob angeboten, aber …« Er zuckte die Achseln.
»Komm schon«, meinte ich. »Du kannst doch nicht wirklich zurück ins Agenten-Gewerbe wollen, oder?«
»Es ist etwas, das ich gut kann«, sagte er. »Eine Weile war ich der Beste.«
»Vielleicht fehlt dir einfach das Adrenalin«, sagte ich.
»Vielleicht«, antwortete er. »Ein Bier?«
»Danke«, lehnte ich ab, »aber ich habe Befehl von ganz oben, Wasserflaschen und Eis zu besorgen, ehe es nichts mehr gibt.«
»Richtig. Alle haben Angst, sie müssten ihren Mojito womöglich ohne Eis trinken.«
»Das ist eine der großen Gefahren, die ein Hurrikan mit sich bringt«, bestätigte ich.
»Danke für deine Hilfe«, sagte er.
Auf dem Heimweg war der Verkehr womöglich noch schlimmer. Einige rasten mit den kostbaren Verschalungen auf ihren Wagendächern davon, als hätten sie eine Bank überfallen. Sie waren angespannt vom stundenlangen Stehen in den Warteschlangen, ständig voller Angst, dass jemand sich vordrängeln könnte und ob wohl noch etwas übrig war, wenn sie an die Reihe kamen.
Der Rest der Leute auf den Straßen war auf dem Weg, um sich in ebendiese Schlangen zu stellen, und hasste jeden, der bereits dort gewesen war und womöglich die letzte Batterie Floridas gekauft hatte.
Insgesamt war es eine entzückende Mischung aus Feindseligkeit, Wut und Paranoia, die mich hätte immens aufmuntern müssen. Doch jede Hoffnung auf gute Laune erstarb, als ich feststellte, dass ich vor mich hin summte, eine vertraute Melodie, die ich nicht sofort erkannte, jedoch immer weitersummen musste. Und als ich sie schließlich erkannte, war alle Freude an diesem festlichen Abend dahin.
Es war die Melodie aus meinem Schlaf.
Die Melodie, die in meinem Kopf ertönt war, begleitet von einem Gefühl der Hitze und von Brandgeruch. Sie war simpel und monoton, nicht gerade ein Ohrwurm, und doch saß ich hier, auf dem South Dixie Highway, summte und spürte den Trost, der von den sich stetig wiederholenden Noten ausging, als handelte es sich um ein Wiegenlied, das meine Mutter einst gesungen hatte.
Und noch immer wusste ich nicht, was dahintersteckte.
Was immer sich in meinem Unterbewusstsein ereignete, wurde von etwas Einfachem, Logischem und leicht zu Verstehendem ausgelöst, dessen war ich mir gewiss. Andererseits fiel mir kein einfacher, logischer und leicht zu verstehender Grund ein, warum ich im Schlaf Musik hörte und Hitze auf meinem Gesicht spürte.
Mein Handy begann zu summen, und da der Verkehr ohnehin nur dahinschlich, meldete ich mich.
»Dexter«, sagte Rita, doch ich erkannte ihre Stimme kaum wieder. Sie klang klein, verloren und völlig vernichtet. »Cody und Astor«, sagte sie. »Sie sind verschwunden.«
Die Dinge entwickelten sich prächtig. Die neuen Wirte waren wunderbar kooperativ. Sie begannen sich zu sammeln, und mit ein wenig Überredung waren sie nur allzu bereit, den Einflüsterungen von ES bezüglich ihres Verhaltens nachzukommen. Und sie errichteten große Steingebäude für die Nachkommen von ES , erdachten komplizierte Rituale, begleitet von Musik, um sich in Trance zu versetzen, und waren so begeistert davon, dass es eine Zeitlang zu viele von ihnen gab, um alle im Auge zu behalten. Liefen die Dinge gut für die Wirte, brachten sie einige von sich aus Dankbarkeit um. Liefen die Dinge schlecht, töteten sie in der Hoffnung, dass ES die Lage besserte. Und alles, was ES tun musste, war, die Dinge geschehen zu lassen.
Und ES nutzte diese neue Muße, um das Ergebnis seiner Reproduktion zu betrachten. Zum ersten Mal, seit das Schwellen und Aufbrechen begonnen hatte, griff ES nach dem Neugeborenen, beruhigte es, linderte seine Angst und teilte sein Bewusstsein. Und die Neugeborenen reagierten mit zufriedenstellendem Eifer, lernten rasch und fröhlich
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