Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
Leben gekostet hatte. Vielleicht gab es ja tatsächlich einen Zusammenhang!
»Wissen Sie, ob der Tote der Besitzer war oder nur ein Angestellter?«, fragte er Holmgren. Sten Andersson war der Geschäftsführer der Tankstelle gewesen. Holmgren zuckte mit den Achseln. »Ihm gehörte die Tankstelle.«
Also zum Teufel mit dieser Theorie. Vielleicht gab es einen anderen Faden, den er weiterspinnen konnte?
»Wie hieß er?«, fragte Hill nach einer Weile.
Schließlich hatte er seine eigenen Theorien, was Namen betraf.
»Rajid. Rajid Hamawed. Er war gebürtiger Iraker.«
Nein, diese Information brachte ihn auch nicht weiter. Nirgends ein roter Faden und nicht das kleinste Assoziationskarussell, das sich in Bewegung gesetzt hätte. Die einzige Verbindung bestand darin, dass es sich bei dem Namen um eine ebenso große Niete handelte wie bei dem Namen Sten Andersson.
Hill trat hinter den Kassentisch und überzeugte sich davon, dass die Kasse wirklich unberührt war, und blickte zerstreut auf die Zettel, die unter Briefbeschwerern und Heftapparaten verwahrt lagen. Zum Teil handelte es sich um private Erinnerungszettel, Dinge die für zu Hause gekauft werden mussten. Telefonnummern von Leuten, die ihn hatten erreichen wollen. Rechnungen, Büroklammern und ein unordentlich herumliegender Packen Briefmarkenhefte.
War der Ermordete ein unordentlicher Mensch gewesen oder ein Pedant?
Der Shop war ordentlich und gut geführt, aber gewisse Dinge fielen einem doch ins Auge. Die Briefmarken, beispielsweise. Und die Rechnungen, die eigentlich im Büro hätten liegen müssen. Außerdem ein Trissbingo Rubbellos, das falschherum halb unter dem Kassentisch lag.
Es war wirklich unerträglich, hier zu stehen und sich über die Persönlichkeitsdefekte des Verblichenen Gedanken machen zu müssen, ehe man ihn noch von dort drinnen weggeschafft hatte!
Hill spürte den Verdruss wieder in sich aufsteigen, aber sei’s drum, irgendein Motiv musste es schließlich geben.
Dass sowohl der Mord von Berga als auch dieser hier demselben Muster folgten, bezweifelte er keine Sekunde. Dafür sprach einfach alles.
Aber was wollten die Täter damit sagen? Mit der Augenbinde, und mit der Kugel durch den Gaumen?
Odin, der Mann von der Spurensicherung, schien mit seiner Arbeit fertig zu sein. Er warf die letzten Sachen in seine schwarze Ledertasche und schlenderte dann zwischen den Warenregalen auf sie zu.
»So’n Pech. Mit ’ner Niete rechnet man natürlich immer, aber nicht mit einer regelrechten Hinrichtung!«, sagte er und schüttelte seinen Kopf. Sein Haar war bereits gelichtet.
»Wie meinst du das?«, fragte Holmgren und nahm damit Hill die Worte aus dem Mund.
»Meine Güte, er hat sich offenbar gerade etwas Nervenkitzel gegönnt, ehe er abgeknallt wurde.«
Offenbar war Holmgren verärgert. Die Art von Odin, sich in Anspielungen auszudrücken, gefiel ihm überhaupt nicht.
»Red endlich Klartext!«, ermahnte er den anderen.
»Okay, okay.«
Odins Blick sagte ganz unmissverständlich, dass das ohnehin Perlen vor die Säue waren.
»Unter seinem Daumennagel fanden wir Reste eines Rubbelloses«, fuhr Odin fort. »Er hat offenbar dagesessen und gehofft, auf die magische Dreierreihe zu stoßen, und was bekam er stattdessen? Ein Loch in den Schädel. Armes Schwein!«
Es ging nicht blitzschnell, nicht einmal so exakt wie bei Hills berühmtem Kollegen aus der Baker Street. Nein, Sherlock Holmes hätte sich wahrhaftig ob seiner langsamen Kombinationsfähigkeit geschämt und wohl Knut Sahlman als Kronprinz vorgezogen.
Denn erst als Odin bereits wieder zum Präsidium zurückgewackelt war und der Beerdigungsunternehmer sich anschickte, die Leiche in die Gerichtsmedizin zu schaffen, gelangte Hill allmählich zu einer Einsicht.
»Entschuldigen Sie, Herr Holmgren, ist noch jemand von der Spurensicherung da?«, wollte er mehr aus seiner eben erst angezweifelten Intuition heraus als auf Grund eines echten logischen Schlusssatzes wissen.
»Hm«, entgegnete Holmgren, der damit beschäftigt war, einen Abdruck in einem vertrockneten Rasenstück zu betrachten. »Svantesson ist immer noch da drin.«
Hill ging wieder zurück.
Der Platz, an dem der Leichnam gelegen hatte, wirkte merkwürdig verlassen. Als sei dieser direkt ins Himmelreich aufgestiegen und hätte nur Unreinlichkeit zurückgelassen. Flecken und Blut, die die im Trend liegende helle Tapete verschandelten.
Svantesson von der Spurensicherung sah nachdenklich aus, aber er hatte Lust auf einen
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