Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
verdammt.«
Adrian hatte angefangen zu schwitzen. Er stank nach Pferd, wenn er in Panik geriet. Bernard konnte seine Angst riechen, und der Geruch vermischte sich auf eine fast unwirkliche Art mit dem Blumenduft des Frühlings zu einem abgestandenen, süßsauren Gestank.
»Und? Was tun wir jetzt?«, hatte Stoján verdrossen wissen wollen.
»Das musst du in Ordnung bringen, Bernard«, hatte Adrian gesagt und nervös den Kopf zurückgeworfen.
Bernard hatte es gefallen, dass sich Adrian wieder auf seine Seite geschlagen und jedenfalls im Augenblick Abstand von seinem sadistischen Kumpan genommen hatte.
»Aha, Bernard soll die Karre also wieder aus dem Dreck ziehen? Meine Güte!«
Theatralisch hatte sich Bernard vor die Stirn geschlagen, sich dann aber rasch gesammelt und autoritär die Führung übernommen.
»Dann haltet die Schnauze, damit ich nachdenken kann.«
Das Ergebnis seines Nachdenkens war, dass er jetzt allein auf der anderen Seite der Straße stand und auf den richtigen Augenblick wartete.
Knut Sahlman wusste nicht recht, wo er hinsollte. Er kam sich etwas verloren vor, als er Feierabend machte und dann auch noch betroffen feststellte, dass es erst 16.03 Uhr war.
Wo sollte man so früh am Tag nur hin?
Nach Hause konnte er nicht, denn was sollte er dann den Abend lang tun? Sahlman war nicht direkt hungrig. Aber um die Wahrheit zu sagen, ertrug er das Alleinsein nicht. Als würde ihm der Mord der vergangenen Nacht nachhängen.
Er wusste sehr gut, dass er einen Ruf zu verteidigen hatte, den eines typischen unterkühlten europäischen Polizisten.
Es ging also nicht, seine Beklemmung jemandem anzuvertrauen, besonders dann nicht, wenn es ihn so gründlich erwischt hatte wie jetzt. Es schnürte ihm fast das Herz ab, wenn er sich an die Bilder des Vorabends erinnerte.
Er spürte, dass er einen Drink brauchte.
Instinktiv machte er sich zum Shoppingcenter Knutpunkten auf den Weg, wo etliche Bars bereits nachmittags geöffnet waren. Ein gut gekühltes Bier würde er sich doch noch gönnen dürfen!
Aus einem Heineken wurden im Halbdunkel des Lokals Stuprännan schnell zwei, aber leider zerstreute das seine düsteren Gedanken auch nicht nennenswert.
Der Mann, der in einem absurden Winkel vor der Kühltheke gelegen hatte, war schließlich nicht viel älter gewesen als er selbst. Auf eine undefinierbare Art hatte er aber verbraucht und abgearbeitet gewirkt.
Knut hatte es stets für selbstverständlich gehalten, immer jung zu sein und garantiert siebenundachtzig zu werden. Die Einsicht, dass das vielleicht nicht so kommen würde, war in der vergangenen Nacht für ihn ein Schock gewesen.
Er selbst ging in beängstigender Windeseile auf die Fünfzig zu. Susanna Avehed war zwar noch vor ihm dran, aber sie war auch nur anderthalb Jahre älter.
Nein, mit Bier war es heute nicht getan. Er bestellte einen Gin Tonic und hoffte, dass jemand die Musik lauter aufdrehen würde, damit er seine Gedanken nicht mehr zu hören brauchte.
Das Glück war ihm nicht gewogen.
Seine Gedanken gingen weiter im Kreis und führten ihn auf Wege, auf die er wirklich keinen Wert legte. War er denn der perfekte Bulle, der er in seinen eigenen Augen und in denen der anderen sein wollte? Und wenn er selbst so schnell das Zeitliche segnete wie der Bursche an der Tankstelle, was ließ sich dann schon über seinen Einsatz hier im Leben sagen?
War seine taffe Kälte nicht in Wirklichkeit eine dürftige Fassade für jemand ganz anderen? Für jemanden, der viel mehr empfand, als in seinem Beruf gut war? Und der sehr viel Zeit darauf verwendete, diesen Umstand herunterzuspielen, statt konstruktiv als Polizeibeamter zu handeln?
Solche Gedanken suchten ihn immer heim, wenn etwas Aufwühlendes geschehen war, und er versuchte seinen Schock immer hinter einer dummen, gut gelaunten Fassade zu verbergen. Wurde er dadurch nicht einfach, um es deutlich zu sagen, ein schlechter Polizist?
Er ging zur Bar und ließ sich sein Glas nachfüllen.
Dann ließ er sich wieder auf das Ende der weichen Sitzbank sinken und hoffte, dass der Alkohol seine betrüblichen Gedanken bald betäuben oder zumindest stören würde. Vielleicht sollte er doch nach Hause zu seinem Goldfisch gehen? Zu seiner geliebten kleinen Wanda mit den goldenen Schleiern.
»Hast du von dem Mord in Berga gestern Abend gehört?«, fragte ein Rotzbengel am Nachbartisch seinen Nachbarn.
»Nein, wieso?«
»Megacool – die haben so einem alten Knacker das Gehirn rausgeblasen.«
Sahlman
Weitere Kostenlose Bücher