Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
den Jahren sicher eine Menge zusammengespart. Eine, die sich ihr Leben lang nichts gegönnt und bereits ihr Erbe angetreten hatte. Ja, es gab sicher mehr als einen, der so dachte.
Aber in Wahrheit waren da nur Schulden gewesen, als ihr Vater abgetreten war.
Es war ein schweres Erbe gewesen. Aber durch Sturheit und harte Arbeit gelang es Elin allmählich, die Schulden abzuzahlen, indem sie in die öligen Fußstapfen ihres Vaters trat.
Sie hatte sogar gewisse Modernisierungen durchgeführt, was die Kunden von heute eben von einer Tankstelle erwarteten und was nicht das Geringste mit Kraftstoffen und mit der Wartung von Kraftfahrzeugen zu tun hatte. Milch, Brot und ein paar alte Videos. Bald würde es sich jedoch nicht mehr umgehen lassen, in neue Zapfsäulen zu investieren. Genauer gesagt würde sie bald Pleite machen.
Den Leuten gefiel es nicht, die verbeulten und rostigen Zapfhähne in ihre funkelnagelneuen Fahrzeuge zu stecken. Oft besannen sie sich eines anderen, wenn sie ihre uralten Zapfsäulen sahen, und fuhren stattdessen zur Statoil-Tankstelle an der Autobahn.
Aber niemand in der Gegend begriff vermutlich, was es bedeuten würde, wenn Elin und ihre alte Tankstelle wirklich verschwinden würden. Genauso wenig realisierten sie, welche Konsequenzen es haben würde, wenn der ICA-Laden, bei dem man auch am Wochenende Milch und Brot kaufen konnte, schließen musste, weil alle einmal die Woche in die Großmärkte vor der nächsten Stadt einkaufen fuhren.
Wenn Elins Tankstelle verschwinden würde, dann würde ihnen nichts anderes übrig bleiben, als mit jeder Reparatur zu einer Vertragswerkstatt zu gehen, und die waren weiter weg und außerdem verdammt teuer.
Das Risiko, dass etwas Unangenehmes passieren würde, wuchs, je weiter die Unterschiede in der Gesellschaft zunahmen. Und außerdem sprach sich das Gerücht immer weiter herum, dieses Gerücht, das jeder Grundlage entbehrte, dass sie einen Haufen Geld in ihrer Matratze hätte.
»Da in Ramseryd, weißt du, da hinten auf dieses kleine Dorf zu, diese Alte mit der Tanke, die hat sicher irgendwo Geld versteckt. Die Frage ist nur, wo. Aber das lässt sich rauskriegen, wenn es erst mal dunkel geworden ist. Nach halb sieben kommt da niemand mehr hin. Alle sitzen dann in ihren Bruchbuden und schauen sich im Fernsehen die Lokalnachrichten an.«
Elin hatte eingesehen, dass das Risiko nicht unbedeutend war, aber nie irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Eine Alarmanlage besaß sie ebenfalls nicht. Sie hatte bis zu diesem späten Abend Ende Februar, als die dunklen Ahnungen sie befielen, nie geglaubt, dass ihr was passieren könnte.
Ihr Herz hatte wie wild zu klopfen begonnen.
Der eine der Männer, groß, dunkelhaarig und alles andere als angenehm, hatte die Tür geöffnet und war eingetreten. Wenig später waren die anderen beiden zu ihm gestoßen und hatten wachsame Blicke auf den Vorhof geworfen.
Elin hatte nichts gesagt. Aber sie hatte sie nicht aus den Augen gelassen. Sie hätte auch gar nichts sagen können, denn ihr Herz klopfte so heftig, als würde es gleich ihren Brustkorb sprengen.
Die drei Männer liefen in ihrem Shop herum und nahmen gewissermaßen alles in Augenschein, der lange, dunkelhaarige und noch einer ungefähr im selben Alter. Der war jedoch blond und untersetzt. Der Dritte war älter mit schon gelichtetem Haar und Bauchansatz.
Etwas zerstreut hatten sie sich die Waren angesehen, die ganz hinten standen, alte staubige Ersatzteile, die schon lange von einem Nikotinfilm bedeckt waren. Einige lagen schon seit den fünfziger Jahren dort. Bereits ihr Vater hatte geraucht, und auch sie hatte ständig eine Marlboro Light zwischen den Lippen.
Das war ihr einziger Trost, wenn sie in der Grube stand. Nur so sah sie sich der Arbeit gewachsen, der Gedanke an die Zigarette, die sie sich anschließend gönnen würde, hielt sie aufrecht.
fetzt hätte sie diese Zigarette gebrauchen können. Sie hätte …
»Schöne Sachen, wirklich …«, hatte der Erste von ihnen gesagt, unerwartet und unaufrichtig.
Er hatte einen Akzent aus dem Osten, und bei seinen Worten ging ihr innerer Alarm los. Sie begann, wie viele der anderen vor ihr, zu plappern. Die Worte strömten wie ein Wasserfall aus ihrem Mund, angsterfüllte, entlarvende und flehende Worte.
»Bitte tun Sie mir nichts! Ich habe Geld, nicht viel, aber ich hab welches! Sie bekommen ja alles, wenn Sie mir nur nichts tun … bitte, egal was! Aber fassen Sie mich nicht an!«
Sie hatten sie
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