Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
außer denen, denen das Kunststück gelang, sich zu dem magischen Kern vorzuarbeiten.
Wenn man aber wie Hill auf der Umgehungsstraße in die Stadt kam, konnte einem dieses atemberaubende Erlebnis entgehen. Im Nordwesten erinnerte Lund mit monotonen Gewerbegebieten und weitläufigen modernen Wohnvierteln an jede andere traurige schwedische Kleinstadt.
Hier draußen fiel einem eigentlich nichts ins Auge, was darauf hätte schließen lassen, dass die Stadt über ein Wissen und Können verfügte, das ihr in der ganzen Welt Respekt einbrachte, außer dem Turm des Doms, der sich imposant über die Dächer erhob, und der charakteristischen Silhouette der Universitätsklinik vor dem klarblauen Frühlingshimmel.
Hill fand, dass der Ruf der Stadt als kulturhistorische Hochburg übertrieben war. Durchaus, dort gab es Universität und Dom, aber sonst? Keine Aussicht über den Sund, keine mittelalterliche Burg und keine Gräber aus der Bronzezeit. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste, dachte er und fuhr ahnungslos an einem Hügel vorbei, auf dem früher der Thing getagt hatte. Es war der Sankt Laborii Hügel, auf dem seit Menschengedenken, die großen Könige der Vorzeit vereidigt worden waren. Hier waren historische Entschlüsse gefallen und schwere Urteile verhängt worden. Auf dem Hügel hatten Adlige Königen falsche und echte Schwüre geleistet, und von hier aus war die Stimme des Aufruhrs mehr als einmal über der Ebene erklungen und hatte Schonen in Brand gesetzt.
Hill hatte bereits Hunger bekommen, als er den Kreisverkehr von Fjelie passiert hatte, und der Gedanke, sich der akademischen Welt mit leerem Magen zu stellen, kam ihm auf einmal vollkommen idiotisch vor, besonders mit seinen intellektuellen Problemen.
Jetzt ging es nicht mehr nur darum, sich über ein paar Morde den Kopf zu zerbrechen, sondern auch, das Geheimnis eines rätselhaften Apparates zu lüften. Er hatte das eindeutige Gefühl, eine Pause zu benötigen, vielleicht auch nur, um eine Möglichkeit zu haben, das Zusammentreffen mit Ashia Hamawed noch einmal gründlich zu durchdenken.
Rolles Hamburgerbar lag äußerst passend an der Kreuzung von Sölvegatan und Tornavägen. Dass es sich um mehr als nur um einen Imbiss handeln musste, sah Hill auf den ersten Blick. Hier traf man sich, saß in der warmen Frühlingssonne vor der Tür und aß Hamburger, Pommes frites und Wurst.
Als er die Leute sah, bekam er plötzlich einen Bärenhunger. Er parkte auf dem Parkplatz im Schatten des alten Wasserturms und betrat das Etablissement.
»Hallöchen!«
Hill drehte sich um, um zu sehen, wen die Frau am Grill in dem melodischen Dialekt aus Dalarna so herzlich begrüßte.
Aber da war niemand.
»Was können wir heute für Sie tun?«
Wieder dieser fröhliche Dialekt, und Hill ging auf, dass die enthusiastische Begrüßung ihm galt.
Das gefiel ihm.
»Ja … was habt ihr denn?«, wollte er wissen.
Die Frage war dumm. Das wusste er bereits, als er sie gestellt hatte. Sie war deswegen dumm, weil die Speisekarte von hinten beleuchtet über dem Tresen hing.
»Was Sie sich nur wünschen können und noch mehr!«
Die Frau drehte einen zischenden Hamburger um, schüttelte einen Korb mit appetitlichen goldbraunen Pommes frites und lächelte mit funkelnden Augen.
Inzwischen fragte er sich ernsthaft, ob sie ihn nicht vielleicht doch für jemand anderen hielt, schließlich hatte er dieses Lokal noch nie betreten.
»Was empfehlen Sie?«, erkundigte er sich vorsichtig.
»Für so einen stattlichen Mann wie Sie? Ein Rolles Spezial, keine Frage!«
Er lachte und nickte. Guter Vorschlag.
»Okay. Und dazu hätte ich gerne Gurkensalat und ein Vichy Nouveau Lime.«
»Gerne. Hier bei Rolles ist nichts unmöglich.«
Sie hatte bereits mit seiner Bestellung angefangen. Gewandt machte sie sich zwischen Grill, Friteuse und der Kühltheke mit dem Salat zu schaffen und achtete dabei darauf, dass sie nicht mit ihren Kolleginnen zusammenstieß, die ebenfalls mit Bestellungen beschäftigt waren.
Es war die hektische Zeit über Mittag zwischen elf und eins. Hinter dem Tresen lief alles reibungslos, und alle waren herzlich miteinander. Hill stand, ohne Gewissensbisse zu bekommen, dabei und hörte sich das Geplänkel mit den Stammkunden an.
Eine sehr junge Frau, nicht unähnlich der, bei der er gerade bestellt hatte, hatte sich auf ein spöttisches Wortgefecht mit einer Truppe DHL-Fahrer eingelassen. Sie machte ihnen das Leben wirklich nicht leicht und beantwortete jeden Vorschlag zur
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