Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
die Parallelen zwischen der ermordeten Kioskangestellten in Borås und den Tankstellenmorden in Schonen vermutlich erst Wochen später aufgefallen.
Aber die beiden Männer hatten sich bereits am Dienstag um die Mittagszeit am Telefon unterhalten.
Zufälligerweise hatte Gittan ein Kuchenrezept von ihrer Schwester Gull in Schonen wissen wollen. Und nachdem sich die Schwestern endlich über Zutaten und Mengen verständigt hatten, nutzte Gittan die Gelegenheit, von dem schrecklichen, nächtlichen Mord in Borås zu erzählen.
Ihr Henrik sei in der kalten, regnerischen Nacht weiß Gott bis zwei unterwegs gewesen. Sie hätte den starken Verdacht, dass er sich dabei erkältet hätte, aber davon wolle er nichts wissen!
Merkwürdig, meinte Gull, nicht, dass Henrik davon nichts wissen wolle, sondern das mit dem Mord. Ihr Torsten hätte tatsächlich am Nachmittag des Vortags mit einem ähnlichen Fall zu tun gehabt.
»Hm«, meinte Gittan.
»Hm«, pflichtete Gull ihr bei. Daran sei wirklich etwas sehr merkwürdig, die Männer sollten sich wohl besser selbst darüber unterhalten.
Gull erreichte Torsten zuerst. Sie erzählte ihm kurz, was Gittan erzählt hatte, und bat ihn, seinen Schwager Henrik anzurufen. So kam es, dass sich die beiden Beamten bereits unterhalten und auch die Parallelen erkannt hatten.
Obwohl der Schuss in Borås danebengegangen war.
Offenbar hatte sich das Opfer im letzten Augenblick losgerissen, als die Waffe bereits abgefeuert worden war. Die Kugel war nicht durch den Gaumen gegangen und durch den Hinterkopf ausgetreten, sondern hatte schräg unter dem Nasenbein ihren Lauf genommen, durch den rückwärtigen Teil der Augenhöhle und weiter durch die Fontanelle, was den Anblick bedeutend unangenehmer gemacht hatte.
Aber sonst war der Modus operandi identisch. Die Augenbinde war aus demselben dunkelblauen Tuch und nachlässig verknotet; der Knoten saß an der richtigen Stelle.
Etwas Positives gab es an dem Boråsfall zumindest. Der Widerstand des Mädchens hatte den Täter oder die Täter ganz offenbar aus der Ruhe gebracht. In der Blutlache neben dem Kopf war ein deutlicher Schuhabdruck zu sehen und, was noch viel versprechender wirkte, ein undeutlicher Daumenabdruck auf der Augenbinde und ein weiterer auf der Wand daneben. Es handelte sich zwar um verschmierte, blutige Abdrücke, aber besser als nichts.
Wenn man diese Fakten zu dem, was bereits über die Morde in Schonen bekannt geworden war, hinzurechnete, dann hegten die Kriminalbeamten in Borås nicht mehr die geringsten Zweifel. Jemand machte Überstunden, und es sah mehr und mehr danach aus, als hätten sie es mit einem Serienmörder zu tun. Und ein Serienkiller löste in der Öffentlichkeit Entsetzen aus.
Wenn die Leute plötzlich das Gefühl bekamen, dass es jederzeit jeden treffen konnte, dann musste wirklich etwas unternommen werden.
Da ging es um die Glaubwürdigkeit der gesamten Polizei, und wenn die Sache erst einmal ruchbar geworden war, dann würde die Reichsmordkommission vermutlich alle verfügbaren Mittel einsetzen.
Joakim Hill erfuhr, dass die Kripo in Borås versucht hätte, ihn zu erreichen, als er aus Lund zurückkam. Sofort rief er bei Kommissar Henrik Elén an.
Nachdem ihm der Fall geschildert worden war, stellte er noch einige Fragen. Über einige wunderte sich der ältere Kollege weiter im Norden außerordentlich.
Ein geheimnisvolles Kästchen?
Doch, eine Art Kartenleser tauche in der Tat auf seiner Liste auf. Er hätte jedoch nicht im Safe gelegen, sondern im Spind der Angestellten. Er befände sich noch bei der Spurensicherung, aber soweit er sich erinnern könne, stimme er im Großen und Ganzen mit der Beschreibung überein.
Auf oder bei der Leiche seien jedoch keine Spuren von Rubbellosen gefunden worden. Nein, ganz sicher könne er sich da leider nicht sein. Aber davon hätte auf jeden Fall nichts in dem Bericht der Spurensicherung gestanden.
»Okay. Gibt es noch was, was Ihrer Meinung nach auffällig ist?«, fragte Hill hoffnungsvoll.
»Nee, nicht direkt. Höchstens die Reise.«
»Was für eine Reise?«
»Offenbar hatte sie gerade eine Reise gemacht, eine schrecklich teure Amerikareise. Normalerweise war sie immer pleite und musste sich am Monatsende Geld von ihren Freundinnen leihen. Wie sie nun ihren luxuriösen Urlaub finanziert hatte, wollte sie niemandem verraten.«
Treffer!
»Danke für Ihre Mühe. Das hilft uns zweifellos bei unseren eigenen Ermittlungen weiter.«
»Freut mich, dass ich Ihnen
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