Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
Augenbrauen zusammenkniff. Dachte überhaupt kaum daran, dass er direkt neben ihm an der Bar saß. Und ahnte nicht die Tragweite seiner Erkenntnis, die den guten alten Terminator – diesen abweisenden, geheimnisvollen Kriegsfürsten – gerade in die Wirklichkeit zurückrief.
»Das bleibt abzuwarten«, antwortete Mandén und klang ein wenig gestresst. »Okay, dann sehen wir uns morgen.«
Er unterbrach die Verbindung und widmete sich einem neu hereinkommenden Alarm. Wieder würde man die Blaulichter wie unselige Plagegeister über den südlichen Zubringer schweben sehen, wo sie das Kunstwerk, das man im Volksmund Oscars Missgeburt nannte, umrundeten und sich weiter in Richtung Außenbezirke bewegten. In Gebiete, in denen akute Einsätze so selbstverständlich an der Tagesordnung waren wie die Angst ums eigene Leben, hervorgerufen durch die Anonymität der Architektur.
»Tut mir Leid, ich muss weiter«, sagte der Terminator überraschend und glitt geschmeidig vom Barhocker.
Sie hatten sich doch gerade erst warm geredet, wunderte sich Sahlman, oder nicht? Er war doch ein richtig … richtig angenehmer Typ. Man konnte sogar mit ihm plaudern, mit diesem rotbärtigen Motorradfreak. Warum hatte er es denn bloß so eilig?
»Noch ein Bier?«, versuchte Sahlman ihn zu locken.
»Nein, wirklich nicht!«, wehrte der Terminator ab.
»Ach kommen Sie schon … ich lad Sie ein …«
»Danke, nein, ich muss los«, sagte der andere. »Bis dann.«
Er war bereits auf dem Weg nach draußen, zog den Reißverschluss seiner Fransenlederjacke zu und nahm die Treppe zur Gasse hoch mit ein paar unerwartet nüchternen, raschen Schritten. Er war genauso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war.
»Ja, ja«, murmelte Sahlman enttäuscht. Wieder allein, drängten sich ihm sofort ungute Erinnerungen auf. Er rang mit seinem Gewissen, ob er sich noch einen weiteren Drink genehmigen oder lieber nach Hause gehen und sich ins Bett legen sollte. Schließlich siegte die ruhespendende Matratze über weinselige Versuchungen.
Sahlman kletterte widerwillig vom warmen Barhocker und wanderte durch die spektakulär mit Raureif überzogenen Straßen nach Hause zu seiner geliebten Wanda.
Sie mussten zusehen, dass sie heute Nacht genug Schlaf bekämen, er und der Goldfisch.
Denn morgen würde es wieder Zeit für Gespensterjagd werden!
19:32:33
In einem Polizeipräsidium gehen die unterschiedlichsten Personen noch unterschiedlicheren Aufgaben nach. Eine Aufgabe jagt die nächste, und das meiste geschieht ganz einfach gleichzeitig – wie überall im Leben auch.
An diesem kalten Novemberabend herrschte ungewöhnlich reger Betrieb im Polizeigebäude von Helsingborg. Die massive, dunkle Fassade wurde von bedeutend mehr Bürolampen in den Fenstern erhellt als sonst.
Im technischen Dezernat oben im zweiten Stock war man aus erklärlichen Gründen intensiv beschäftigt, und die glühend erleuchteten, rostfarbenen Fensterscheiben der gesamten Etage zeugten davon, dass über die normale Belastung hinaus etwas eingetreten war, das besondere Aufmerksamkeit erforderte.
Da nutzte man sämtliche Ressourcen, um den Ansprüchen der Allgemeinheit an die Effektivität der Polizei gerecht zu werden – natürlich nur so weit es das Budget zuließ.
Lotta Jönsson von der Zeitung Kvällsposten war allerdings ziemlich sauer auf die Polizei. Sie hatte sich über eine Stunde lang im Foyer herumgedrückt, ohne wenigstens kurz mit dem Dienst habenden Inspektor sprechen zu können. Am Informationsschalter herrschte eine eifrige Geschäftigkeit, das war offensichtlich, doch nicht ein verflixtes bisschen drang aus der Glaskabine zu den Journalisten, die so beharrlich auf Auskunft warteten.
Irgendwer in Råå war so kaltblütig gewesen, ein Boulevardblatt zu informieren und sich damit ein nettes Sümmchen zu verdienen. Deshalb hatte sie sich gezwungen gesehen, ihren warmen, gemütlichen Platz vor dem Fernseher aufzugeben, in dem gerade eine Quizsendung lief, und einem ganz anderen Fragesport nachzugehen, bei dem die Frage lautete: »Wer war der Täter, und welches Motiv hatte er?« Bisher wusste keiner die Antwort, und letztlich blieben wohl entschieden mehr Fragen offen, als es Antworten gab. Es war verdammt wenig nach außen gedrungen, um nicht zu sagen – gar nichts!
Bei ihrem Eintreffen am Unglücksort in Råå hatten sich dramatische Szenen abgespielt. Sie hatte die Umstehenden befragt, doch die meisten machten einen ziemlich verwirrten Eindruck. Jemand sagte etwas
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