Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
von Mord. Aber, wie gesagt, keiner wusste sicher, was eigentlich geschehen war.
Ein Notarzt war zu einem Intensiveinsatz an ein geparktes Auto geeilt, und sie hatte sich gefragt, ob dieser wohl von Erfolg gekrönt sein würde. Vielleicht war es doch kein Mord, trotz allem?
Aber der Arzt hatte aufgeben müssen, und es schien ihr nur natürlich, den leeren Platz im Zentrum des Geschehens einzunehmen.
»Hallo, Kvällsposten« ,hatte sie sich präsentiert, als ein Kriminalpolizist in ihre Nähe gekommen war. »Darf ich einige Fragen stellen?«
»Nein, nicht jetzt«, hatte er gemurmelt und war zusammen mit dem Arzt in Richtung Notarztwagen geeilt.
»Hallo, Kvällsposten« ,hatte sie es erneut versucht, als sie Ulf Gårdeman erblickte, den sie von früheren Pressekonferenzen im Polizeigebäude her kannte. »Können Sie etwas darüber sagen, was hier passiert ist?«
»Wir wissen selbst noch nicht sehr viel«, hatte er ihr und den anderen Journalisten erklärt, während sich sein weißer Atem in den Nachthimmel verströmte. »Eine junge Frau ist in ihrem Auto leblos aufgefunden worden, aber wir wissen weder, wie sie gestorben ist, noch, warum.«
Lotta hätte sich gewünscht, über das Absperrband zu springen und zum Auto stürmen zu können, um schnell ein paar Fotos zu schießen. Sie war nicht nur eine geschickte Journalistin, sondern ebenfalls eine ziemlich akzeptable Fotografin. So hätten sie morgen sicher einige zusätzliche Ausgaben verkaufen können. Doch an der Polizeiabsperrung verlief nun einmal definitiv die Grenze. So war es jedenfalls bis heute – und einschließlich für die Abendzeitungen.
Die Story war also noch in den Startlöchern, und sie wartete – leider zusammen mit Expressen, Aftonbladet, Nya Skånska Tidning und Helsingborgs Dagbladet – auf eine offizielle Stellungnahme.
Und sie hatte es verdammt eilig, denn der Text für den Artikel musste schon bald in Druck gehen!
Natürlich waren die Details, die sie den Zuschauern und anderen Beteiligten vor Ort hatte entlocken können, bereits an die Redaktion gefaxt – auf ein paar Leckerbissen würden sie zumindest das Alleinrecht haben. Doch es gab noch genügend zu vervollständigen – den Namen des Opfers, zum Beispiel.
Inspektor Mandén räusperte sich unvermittelt und stellte sich dann vor den Repräsentanten der Presse im Foyer auf. »Könnte ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten!«
Er bekam umgehend, worum er gebeten hatte.
Doch als er seine offizielle Erklärung abgeschlossen und ihnen die Einzelheiten, von denen man überzeugt war, dass sie veröffentlicht werden konnten, mitgeteilt hatte, waren für die versammelten Journalisten nach wie vor jede Menge Fragen offen.
Eine der Fragen galt, wie vorauszusehen war, der Identität der Toten.
»Können Sie uns denn nicht sagen, wer sie war?«, fragte der Vertreter von NST streitlustig, als wolle er mit seinem Auftreten die Abwesenheit am Ort des Verbrechens kompensieren.
Mandén seufzte. »Wer sie war, spielt keine entscheidende Rolle, meine Herren – und meine Dame«, fügte er hinzu. »Sie war keine Berühmtheit.«
»Geben Sie uns trotzdem einen Namen!«, meinte Exet und stand auf. »Kommen Sie schon, machen Sie uns richtig glücklich.«
Mandén seufzte erneut. »Okay – wenn Sie versprechen, dass Sie danach nicht noch mehr fordern.« Er schaute sicherheitshalber noch einmal in seine Unterlagen. »Sie hieß Anne Smitt. Hier haben Sie das Führerscheinfoto«, erklärte er überdeutlich wie ein Vorschullehrer und verteilte die zusätzlichen Kopien des Führerscheins, den Hill in der Kalbslederhandtasche gefunden hatte. »Nun zufrieden?«
Offensichtlich ja, denn die meisten waren bereits auf dem Weg nach draußen. Expressen und Aftonbladet drängten sich im Korridor mit ihren aufgeklappten Handys am Ohr, während HD und NST es nicht weit zu ihren jeweiligen Redaktionen hatten.
»Ja, dann vielen Dank«, sagte Mandén und verbeugte sich etwas ironisch in dem nun fast leeren Foyer.
Dann klemmte er seine Papiere unter den Arm und ging zurück in seine eigene kleine stille Ecke hinter dem Informationstresen.
Was ist denn mit dem jungen Mädel von Kvällsposten los, dachte er verwundert und taxierte sie über den Rand seiner Lesebrille. Hat sie nicht auch eine Zeitungsspalte zu vergolden?
Doch Lotta Jönsson blieb wie festgefroren auf ihrem Stuhl sitzen.
Es war erschreckend, wenn einem der Tod so unheimlich nahe kam. Denn die Person, der sie sich vorher am Abend nur allzu gern mit der
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