Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
Börjesson, der in Anderbergs Team arbeitete und dessen ausgeprägtes Interesse der gesamten Computerwelt galt.
»Und das andere Zeug da?«, wollte Hill wissen, den man nicht gerade als Computerfreak bezeichnen konnte. Seine neueste Erkenntnis, was Computer anbetraf, war bekanntlich, dass der Stecker ordentlich mit den beiden dafür vorgesehenen Löchern in der Wand verbunden sein musste.
»Eigentlich Standard«, informierte ihn Bertil willig. »HP Laserdrucker, HP Scanner, ein QPS CD-Brenner und ein eingebautes V90 Modem.«
»Ja, das erklärt ja einiges«, sagte Hill leicht betreten.
Doch Gårdeman legte für einen Augenblick Anderbergs Notizen zur Seite und kam ihm zu Hilfe.
»Was könnte das Ganze wert sein?«, fragte er Börjesson.
Der runzelte erst einmal die Stirn. Was er dann allerdings über den Daumen peilte, klang ziemlich gut informiert.
»Tja, der Bildschirm allein ist schon ziemlich teuer. Mindestens fünfzigtausend Kronen«, rechnete er. »Vielleicht ein bisschen mehr. Das hängt von einer eventuellen Spezialausrüstung ab. Die Software nicht zu vergessen.«
»Er sieht neu aus«, meinte Hill.
»Ja, richtig«, nickte Börjesson zustimmend. »Der kann nicht mehr als ein knappes Jahr alt sein. Und noch eine Sache ist natürlich ziemlich merkwürdig.«
»Was denn?«
»Alles hier auf dem Schreibtisch deutet darauf hin, dass sie das Ganze nur als Schreibprogramm genutzt hat. Hier steht aber eine Ausrüstung, die noch vor ungefähr zehn Jahren in einem Bunker die Verteidigung des gesamten Landes hätte übernehmen können. Das ist, als schaffe man ein Kernkraftwerk an, um eine Glühlampe zu betreiben.«
»Also, wofür hat sie es gekauft?«, fragte Gårdeman.
»Jemand legte anscheinend Wert darauf, dass alles nur vom Feinsten sein sollte«, folgerte Börjesson.
Der Computer war auf stand-by gestellt, während der Bildschirmschoner in Funktion war. Einzig eine kleine Lampe blinkte diskret am unteren Rand.
»War er bei eurer Ankunft in dieser Position?«, fragte Gårdeman.
»Der Computer, ja«, antwortete Anderberg, der gerade mit einigen Klebestreifen, mit denen er an Schranktüren Fingerabdrücke genommen hatte, aus dem Badezimmer kam.
Wenn die Leute Spuren hinterließen, dann oftmals an solchen Stellen wie Türkanten. An typischen Stellen, die man zum Öffnen und Schließen anfasste, wie zum Beispiel Kühlschrank-, Vorratskammer- und Badezimmertüren.
»Wir haben ihn nicht angefasst«, versicherte er und versah die Klebestreifen vorsichtig mit Fixierband, bevor er sie zu den anderen Proben in die Tasche legte. »Ich dachte, ihr würdet vielleicht selbst gucken wollen. Denn man dürfte ja sehen können, woran sie zuletzt gearbeitet hat.«
»Solange er nicht zum Bombenabwerfen genutzt worden ist, ja«, fügte Börjesson durch seine Bemerkung von vorhin angeregt hinzu.
Gårdeman nickte gedankenverloren und machte einen erneuten Versuch, Anderbergs unleserliche Schrift auf dem Notizblock zu entziffern.
Wie er daraus ersehen konnte, hatte Anne Smitt ihre Mutter in Bräkne-Hoby und eine Schwester in Malmö wohnen. Sie würden bald Besuch bekommen. Die lokale Polizei würde anklopfen und zu ihrem Bedauern mitteilen, dass Anne Smitt – die Frau, die für sie Tochter und Schwester gewesen war – das Zeitliche gesegnet hätte.
Er schüttelte mit einiger Mühe diese unbehagliche Vorstellung ab. Jedes Mal überkam ihn in solchen Fällen ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit. Als würde sich ein Teil der Trauer auf sie als Fahnder übertragen, sodass sie allein durch ihren Einsatz in der Ermittlungsarbeit dem Opfer persönlich nahe stehen würden.
Hier sah es eigentlich richtig nett aus. Nicht ärmlich, aber auch nicht prätentiös. Nicht so wie bei den Nilsmeds.
Alles hatte eine praktische Funktion, und die großzügige Möblierung ließ viel Raum.
Raum für Bewegungsfreiheit?
Den Platz, den eine junge aktive Frau benötigte?
Doch wo …
Wo waren eigentlich ihre Freunde?
Eine junge hübsche Frau, und keine Spur von Bekanntschaften?
Gårdeman hatte das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Junge Leute hatten heutzutage meistens weit reichende soziale Bindungen, das wusste er. Sie trafen sich in Kneipen und Cafés, schickten sich gegenseitig verrückte SMS-Mitteilungen, schrieben Postkarten und fotografierten einander in mehr oder weniger peinlichen Situationen.
Bei allen jungen Leuten war das so. Alltägliche Erinnerungen daran, dass man ist, wer man ist, und dass das Leben herrlich
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