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Kommissar Morry - Das Phantom

Kommissar Morry - Das Phantom

Titel: Kommissar Morry - Das Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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hatte und er das hochprozentige Getränk durch die Kehle jagte.
    „Noch einen!" hielt er die sich abwendende Susan Bexter zurück.
    Dan Marcher fand somit keine Gelegenheit mehr, mit dem Mädchen ungestört an diesem Tisch einige Worte zu wechseln. Der Fremde schien sehr viel Zeit und einige Pfund in der Tasche zu haben. Schneller als anfänglich gewollt, trank er sein Glas leer, kramte einiges Kleingeld hervor und verließ seinen Platz, um vorn an der Theke Susan Bexter die Zeche zu bezahlen. Einige Sekunden mußte er noch warten. Dann schwebte leichtfüßig Susan herbei.
    „Wer hat dir den Brief übergeben?" fragte er leise, als wolle er den Preis des Bieres wissen.
    „Ein früherer Arbeitskollege von Mat", war ihre schnelle Antwort.
    „Willst du ihn aufsuchen?"
    „Ich habe Angst, man könnte mich, wie Mat ja schreibt, auf jeden Schritt überwachen. Es wäre. .."
    „Sure, Mädel, dann werde ich nach Mat schauen und dir morgen Abend Bescheid geben."
    „Cautious, please, Onkel Dan, daß dich niemand bemerkt. Und sag' Mat, daß ich an ihn glaube."
    Es wurde Zeit, das Gespräch zu beenden. Dan Marcher gab dem Mädchen einige Münzen in die Hand und verließ den Barraum.
    Der Nebel war wieder dichter geworden. Nur vereinzelt huschten Umrisse von menschlichen Gestalten durch die Nacht. Ihre Schritte hallten nur wenige Augenblicke an den Häusern der engen Straße wider und verklangen fast ebenso schnell, wie ihre Schatten im Nebeldunst untertauchten.
    Dan Marcher kümmerte sich nicht um diese Geräusche. Für ihn, dessen Wiege hier vor über sechzig Jahren zwischen den schmutzigen und transtinkenden Gassen des Hafenviertels stand, waren es alltägliche beziehungsweise allnächtliche Geräusche. Seine Gedanken verloren sich an den nächsten Tag, an sein Vorhaben — und als er von der Black Wall Way in die hinter dein Graving Dock gelegene Prestage-Street einbog, war in seinem Gehirn kein Platz mehr für klare Gedanken. Eine bleierne Müdigkeit legte sich auf seine Glieder. Seine Augen fielen ihm von allein zu. Mit Gewalt riß er sie wieder auf.
    ,Dan, du bist alt geworden. Kaum Mitternacht vor» bei, und mit dir ist nichts mehr anzufangen, flüsterten bitter seine Lippen, und mühsam wankte er die Prestage-Street hinauf, bog an einem Autofriedhof vorbei in die Einfahrt zum Hinterhaus Nummer 72 ein und stand dann in dem nach Küchenresten und Unrat aller Art riechenden Hof. Drei Schritte rechts hinter den überfüllten Mülltonnen war die Tür zu seiner Kammer. Knirschend fuhr der Schlüssel in das Schloß.
    Ein- zweimal versuchte Dan Marcher den Schnapper zu drehen, dann gab das eingerostete Schloß nach und ließ sich bewegen.
    „He, Dan", hörte er seinen Namen von der Einfahrt her rufen.
    Mißmutig drehte sich der Angerufene nach der Richtung hin, von der eine männliche Stimme ihn gerufen hatte. Doch nur der Nebel lag da, wo er auch hinschaute.
    ,Wer seinen Namen rief, mußte ein Bekannter sein', dachte er nach, dann stieß jemand gegen das Blech einer Mülltonne. Dröhnend hallte es an schiefen Wänden des Hinterhofes wider.
    „All devils! Wer?..."
    Weiter kam Dan Marcher mit seiner Frage nach dem Rufer nicht. — Mit einem Schlage war alle Müdigkeit aus seinem altersschwachen Körper gewichen. Ein heißer Schrecken peitschte durch seine Adern, als er zu wissen glaubte, wer ihn da aus dem Nebel heraus gerufen und mit der Namensnennung gezwungen hatte, seinen Standort zu verraten.
    Mat Heflins Nachricht an Susan Bexter waren seine letzten Gedanken. Impulsiv wollte er seinen Körper wieder zur Tür drehen — da traf ihn auch schon ein harter Schlag hinter seinem linken Ohr. Pfeifen und Zischen durchraste sein gemartertes Hirn. Eine Unzahl greller Punkte tanzten vor seinen Augen ein wildes Durcheinander. Dann tat sich vor Dan Marcher ein unüberwindbarer Abgrund auf. Schwerelos fiel er in diesen hinein und das Fallen wollte kein Ende nehmen, bis es urplötzlich Nacht um ihn ward und jegliche Empfindung ausgelöscht war. Dan Marcher brach zusammen und fiel in den Schmutz des Hofes. Fahrige Hände betasteten seinen Kopf glitten von der gänseeigroßen Beule hinter dem linken Ohr über seinen Rock, führten in die Brusttasche des Ohnmächtigen und fanden hier das Gesuchte...

    7

    Der folgende Tag wollte gar nicht recht hell werden. Grau in grau lagen nicht nur Londons Hafengebiete unter den tiefen Wolken, die von Westen her über die Häuser und die Themse fegten, sondern auch ganz Südengland. Der gegen Abend

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